«Dancing Auschwitz» heisst eine Videoarbeit in der aktuellen Ausstellung des Krakauer Museum für Gegenwartskunst. Die Bilder sind mit dem Discohit «I will survive» unterlegt. Zu sehen ist die Künstlerin Jane Korman, wie sie mit ihrem Vater, einem Auschwitzüberlebenden, und ihren drei Kindern tanzt – zögerlich zuerst, dann immer ungezwungener. Sie tanzen unter dem Tor mit der Aufschrift «Arbeit macht frei», vor dem Krematorium und an weiteren Orten des Konzentrationslagers. Darf man das? Ja, sagt Delfina Jalowik, die Kuratorin der Ausstellung.
Gegen den Imperativ zur Trauer
Für Delfina Jalowik ist diese Arbeit typisch für eine israelische Künstlerin der zweiten Generation. Die Künstlerin Jane Korman berührt die Frage der Gefühle der Überlebenden und ihrer Nachfahren. Die Arbeit ist nicht gegen die Trauer, aber gegen den Imperativ zur Trauer.
Vor fünf Jahren löste der Film eine heftige Debatte aus und wurde zu einem grossen Youtube-Hit . Er irritiert und berührt immer noch, aber er provoziert kaum noch jemanden, sagt die Kuratorin.
Den routinierten Umgang mit Holocaust stören
Manche polnische Künster hingegen lösen mit ihren Arbeiten heftige Reaktionen aus. Etwa Zbigniew Libera mit seinem Konzentrationslager-Modell aus Lego.
Oder Rafał Jakubowicz, der für sein Werk mit dem Titel «Arbeitsdisziplin» eine polnische Fabrik des deutschen Autoherstellers VW so fotografierte, dass sie an ein Konzentrationslager erinnert. Oder Artur Żmijewski, der in einem Video ein Gruppe nackter, erwachsener Polinnen und Polen zeigt, die in einer ehemaligen Gaskammer Fangen spielen.
Das sind Arbeiten, die den routinierten Umgang mit dem Holocaust stören. «Für viele Leute ist das provokativ und kontrovers. Sie denken, dass man manche Themen nicht berühren soll», so Delfina Jalowik.
Debatten und Reklamationen
Ihre Ausstellung habe auf Facebook zu heftigen Debatten geführt, sagt die Kuratorin. Viele Besucher vermissten das bei diesem Thema traditionelle Pathos. In Israel sind die Widerstände offenbar noch grösser. Der Plan, die Ausstellung auch dort zu zeigen, könnte scheitern.
Auch das Plakat zur Ausstellung hat zu vielen Reklamationen geführt. Es ist ein Schwarz-Weiss-Foto der deutschen Künstlerin Sarah Schönfeld. Eine Frau schaut fröhlich in die Kamera, wie eine Touristin. Im Hintergrund ist allerdings das Konzentrationslager von Auschwitz zu sehen.
Auch darum wurde dieses Motiv als Plakat für die Ausstellung gewählt. Krakau zieht sehr viele Holocausttouristen an, von denen zahlreiche ins nahegelegene Auschwitz fahren und dort Selfies schiessen. «Warum brauchen wir diese Art von Fotos? Das ist für mich eine wichtige Frage, die mit diesem Werk gestellt wird», meint Delfina Jalowik.
«In Auschwitz findet man nichts mehr»
Die Ausstellung interessiert sich weniger für die Geschichte als für die Bedeutung von Auschwitz heute. Auschwitz als Teil der Popkultur, als Chiffre für das absolute Böse, als Pilgerstätte. Jährlich zieht das Konzentrationslager weit über eine Million Besucher an. Und doch: Die Kuratorin Delfina Jawowik versteht nicht, was die dort suchen. «Wir kennen so viele Dokumentationen, so viele Filme. Ich persönlich denke, in Auschwitz findet man nichts mehr.»
Ihre Ausstellung lädt stattdessen dazu ein, über das Weiterleben nach Auschwitz nachzudenken – und so die Erinnerung lebendig zu halten.