Viktor Wynd ist Brite, Maler, Händler – und vor allem: Sammler. Wynd sammelt nicht nur, er hortet. Obsessiv hat er Tausende von Objekten zusammengetragen. Sie lagern in seinem Haus und in seinem neuen, winzigen Museum im Londoner Stadtteil Hackney.
Fötus in Formaldehyd und schwarze Nierensteine
Ein Buch gibt nun Einblick in seine skurrile Welt. Zu sehen ist beispielsweise der missgebildete Kopf eines Kalbs, montiert wie eine Jagdtrophäe auf ein Holzbrett. Daneben die beiden Köpfe von siamesischen Zwillingskälbern, auf die gleiche Weise präpariert. Oder eine Porzellanpuppe, darum herum drapiert ein Sammelsurium dutzender Objekte: ein menschlicher Fötus in Formaldehyd, ein Schrumpfkopf, die Schädelpartie eines Walrosses.
Auf einem anderen Bild sind drei schwarze Kugeln zu sehen. Es sind Nierensteine, wie Viktor Wynd dazu schreibt. Früher habe man ihnen magische Kräfte zugeschrieben. «Es gibt wenige Dinge im Leben, die mir ebenso viel Vergnügen bereiten wie diese Nierensteine. Ich bereue es bitter, dass ich zwei davon verkauft habe», so der Sammler weiter.
Übereifrige Museumspädagogik
Für seine Sammlung bedient sich Viktor Wynd auf Flohmärkten oder bei der Kehrichtabfuhr. Er besitzt – nach eigenen Angaben – so viele Knochen des ausgestorbenen Inselvogels Dodo wie niemand sonst auf der Welt. Er umgebe sich einfach mit Dingen, die er wunderschön finde, schreibt er.
«Die Gegenstände bilden ein dichtes Netz von Geschichten und Bedeutungen. Jedes Stück lenkt mich von einer Realität ab, die ich nicht mag», so Wynd weiter. «Sammeln ist Bürde und Krankheit. Als Hypochonder geniesse ich es, und als Süchtiger merke ich, wie ich die Dosis erhöhen muss, wenn nach einem Kauf das Vergnügen alsbald schwindet.»
Der Zufall spielt eine Rolle
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Das alleinige Mass ist sein Geschmack und der feste Glaube, dass kunstvoll zusammengewürfelte Stücke mehr ergeben als ein wundersames Chaos. Heutige Museen sind in Wynds Augen sterile Stätten – ihr einstiger Charme ausgetrieben von Kuratoren mit Zwangsneurose und übereifriger Museumspädagogik.
Wynd knüpft stolz an die Raritätenkabinette an, die ab dem 16. Jahrhundert entstanden. Man müsse Objekten die Chance zur geistreichen Unterhaltung geben, sagt er. Dabei dürfe der Zufall eine Rolle spielen, das Unabsichtliche. Seltene und wertvolle Stücke glänzen für Wynd erst in der Gemeinschaft mit dem Gewöhnlichen.
Bedarf nach Unordnung und Masslosigkeit
Viktor Wynd lebt unter anderem vom Handel, er verkauft an reiche Sammler – und konterkariert sie mit seinem scheinbar chaotischen Kuriositätenkabinett: «Zielstrebige, vermutlich intelligente Leute häufen oft riesige Sammlungen an, denen jeglicher Humor abgeht. Oft sind sie langweilig, trocken, den Besuch nicht wert. Ich will lachen und schmunzeln.»
Ende letztes Jahr sammelte Viktor Wynd auf der Internetplattform Kickstarter Geld für die Vollendung seines kleinen Museums. Wer mindestens 35 Pfund spendete, bekam einen Teddybär mit zwei Köpfen, ab 100 Pfund gab es eine ausgestopfte Krähe. Die angestrebten 10'000 Pfund waren in kurzer Zeit zusammen. Offensichtlich besteht Bedarf nach Unordnung, Ästhetik und Masslosigkeit.