Sein Klang bringt das Zwerchfell zum Vibrieren: das Muschelhorn, das man in dieser Ausstellung stets im Ohr hat. Bei den Ritualen im 3000 Jahre alten Andentempel von Chavin spielte das Instrument eine zentrale Rolle: Es versetzte die Pilger mit seinem dramatischen Klang in eine jenseitige, göttliche Welt.
Ein multimediales Spektakel
Nebst Muschelhorn-Chören trug auch die Einnahme des meskalinhaltigen San-Pedro-Kaktusses dazu bei, die Menschen in einen anderen Bewusstseinszustand zu versetzen. Steinköpfe in der Tempelanlage – nun in der Ausstellung zu sehen – zeigen auf eindrückliche Weise die schrittweise Verwandlung eines Menschen in ein Jaguarwesen:
Als erstes ziehen sich die Mundwinkel zurück (eine Folge des Drogenkonsums), Reisszähne schiessen aus den Mundwinkeln, die Augen weiten sich und schliesslich steigt der Blick nach oben. Die Einheit mit der Gottheit ist vollzogen.
«Es war ein multimediales Megaspektakel», erklärt Ausstellungskurator Peter Fux die Vorgänge im Tempel. Lichteffekte, Bildhauerei, Landschaftsgestaltung, Musik, Drogen und performative Aufführungen trugen dazu bei.
Die Tempel standen in einer Konkurrenz zueinander, erklärt der Kurator: «Wer das eindrücklichste Spektakel bot, konnte am meisten Pilger und Tributpflichtige an sich binden.»
Lange vor den Inka
Chavin gilt als die andine Ursprungskultur. 2000 Jahre vor den Inka entwickelte sich hier mit einem Mal eine komplexe Gesellschaftsstruktur mit spezialisierten Handwerkern, Musikern und sozialen Klassen. Ausschlaggebend für den Kultursprung war vermutlich die Einführung der Bewässerungswirtschaft. Die monumentale Zeremonialanlage in einem Tal auf über 3000 Metern ist eine Folgeerscheinung dieser Produktivitätssteigerung.
Museumsbesucher als Pilger
Links zum Thema
Das Museum Rietberg begnügt sich nicht damit, 200 Objekte vor allem aus peruanischen Sammlungen erstmals ausserhalb Perus zu zeigen. Es nimmt den Besucher mit auf den Weg des Pilgers: Man durchschreitet drei Zeremonialplätze, bis man ins labyrinthartige Tempelinnere gelangt und der Hauptgottheit gegenübersteht.
Im Bann der Klänge
Unterschiedliche Klangbilder, bestehend aus Muschelhorn-Chören, begleiten diesen Parcours. Der Posaunist Michael Flury hat sie im Rahmen einer musik-archäologischen Forschung geschaffen. Eine untergegangene Kultur wird so nicht nur zum Leben erweckt, sondern auch sinnlich erlebbar gemacht.