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Kunst Der Meister der knackigen Statements ist nachdenklicher geworden

Ein Bett, ein Buch, eine Party – alles Kunst? So scheint es, wenn man derzeit die Ausstellung des «La suisse n'existe pas»-Künstlers Ben Vautier im Museum Tinguely besucht. Doch ganz so einfach ist das nicht mit der Frage, was Kunst ist. Auch Vautier hat im Laufe der Zeit seine Meinung geändert.

Vor dem Museum Tinguely in Basel steht ein VW-Bus. Er ist bunt bemalt und beschrieben mit allerlei Sprüchen, Wörtern und Fragen: «Qui est Ben?» Oder: «Kunst ist nutzlos.»

In einem Campingstuhl vor dem Bus sitzt ein Mann, der ein campierender Rentner sein könnte – stünde sein Wagen nicht vor einem Museum und hätte er nicht vor sich auf einem Tisch unzählige Papiere ausgebreitet, die er mit dicken Stiften beschriftet.

La Suisse n’existe pas

Der Mann heisst Ben Vautier. Dem schweizerisch-französische Künstler sieht man seine 80 Jahre nicht an. Munter performt er vor seinem Wagen, mit dem er von seinem Wohnort Nizza nach Basel gefahren ist, für die Journalisten. Diese klatschen, lachen und fotografieren. Ben geniesst es.

Ben, unter diesem Namen kennt man ihn in der Schweiz, spätestens seit sein Werk «La Suisse n’existe pas» im Schweizer Pavillon an der Weltausstellung 1992 in Sevilla in einer breiten Öffentlichkeit heiss diskutiert wurde. Jetzt, 23 Jahre später, zeigt das Museum Tinguely die erste umfassende Retrospektive des schaffensfreudigen Künstlers.

L’univers de Ben

Diese Schaffensfreude begleitet einen in der zweigeteilten Ausstellung auf Schritt und Tritt. Besonders in dem Teil, den Ben Vautier selber gestalten durfte. Über 30 Räume hat er mit Bildern, Figuren, Installationen und Schriftzeichen ausgestattet. Es tönt, rattert, scherbelt und singt aus allen Ecken des Ausstellungskosmos. Omnipräsent sind Ben Vautiers Schriftgemälde, grosse und kleine Bilder auf die Schriftzüge oder Wörter aufgemalt sind.

Der 80-Jährige, der seit 60 Jahren in der Kunstszene aktiv ist, vertrat bis vor kurzem vehement die These, dass alles Kunst sei. So nahm er sich Anfang der 60er-Jahre zum Ziel, alles und jeden zu signieren. Den Horizont, Menschen, den Strand von Nizza, wo er seit langer Zeit lebt. «Ich habe damals einfach ein Lexikon aufgeschlagen, blind auf ein Wort getippt und mich aufgemacht, das zu signieren, worauf mein Finger lag. Und ich habe es immer geschafft.»

Kunst ist Leben, Leben ist Kunst

Auch mit Performances machte Vautier früh auf sich aufmerksam. Er war ein Pionier der Fluxusbewegung, einer Strömung, die das Kunstwerk als etwas Elitäres auflösen wollte und stattdessen ins Leben zu integrieren suchte. Kunst und Leben gehörte für Fluxus zusammen, es war eine Aktionskunst, die Vautier ab Ende der 50er-Jahre mitprägte.

Diese Periode seines künstlerischen Schaffens zeigt der zweite Teil der Retrospektive. Hier wird im musealen Stil in Vautiers frühes Werk eingeführt, wir sehen Dokumentationen zu seinen Performances oder ein Video, das Ben in seinem vollgestopften Zuhause in Nizza zeigt. Hier bekommt man Hintergrundwissen zum Menschen hinter dem chaotischen Gesamtkunstwerk im ersten Teil der Ausstellung.

Vom Statement hin zur Frage

Der junge Ben Vautier gab sich im Zuge von Fluxus selbstbewusst und exzessiv egozentriert. So stellte er sich zum Beispiel auf die Strasse mit einem Plakat um den Hals auf dem Stand: «Regardez moi, cela suffit». Schaut mich an, das ist (Kunst) genug. Das Künstlerego, ein weiteres Thema, das Vautier sein Leben lang beschäftigte und thematisierte.

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In den letzten Jahren jedoch distanzierte sich Vautier etwas von der starren Behauptung, dass alles Kunst sei. Denn wenn alles Kunst ist, dann muss konsequenter auch Auschwitz Kunst sein. Eine falsche Gleichung, die Vautier zum Nachdenken brachte. An die Zweifel an der Universalität der Kunst lehnt sich auch der Titel der Ausstellung an, der auch ein Werk Vautiers darstellt: «Ist alles Kunst?», ist nun die Frage.

Zwar liebt Ben Vautier immer noch knackige Statements. Doch immer öfter beenden nun Fragezeichen seine Sätze. Ein Hinweis darauf, dass er sich auch im hohen Alter immer wieder neu hinterfragt und nicht müde wird, auch Türen zu einem ganz neuen Kunstverständnis zu öffnen. Eine bewundernswerte Attitüde.

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