Die amerikanische Kultur war ein Exportschlager, lange bevor die amerikanische Kunst mit dem Abstrakten Expressionismus einer wurde. Hollywood, Kaugummi, Akkordarbeit – Europa übernahm und kopierte, was es konnte. Besonders beliebt waren Friedenspfeifen und rauchende Colts.
Buffalo Bill tourte in den 1890er-Jahren mit seiner Show durch die alte Welt, und seither wussten selbst Kinder in Braunschweig, was es mit Trappern und den ewigen Jagdgründen auf sich hatte. Darin sahen um die vorletzte Jahrhundertwende einige amerikanische Bildhauer eine Chance und fingen an, die Symbole des Wilden Westens in Bronze zu giessen.
Stolze Krieger und wilde Tiere, heroische Cowboys und tapfere Siedler in Form dekorativer Statuetten schmückten bald die Kaminsimse und Gärten von Sammlern in den urbanen Zentren der US-Ostküste und zahlreicher Europäer, für die diese Figuren Amerika schlechthin darstellten. Und das, obwohl – oder eben weil – die meisten von ihnen die Gegend westlich des Mississippi nur aus der Boulevardpresse, Groschenromanen und später aus Filmen kannten.
Der Wilde Westen als Mythos
Das war zu einem Zeitpunkt, als der Wilde Westen nur noch als Mythos existierte. Die Indianer waren umgebracht oder in Reservate verpflanzt, sämtliche Bisons abgeschlachtet worden. Der Pioniergeist hatte sich in San Francisco komfortabel eingerichtet.
«Mein Westen ist längst zu einem Traum geworden», sagte Frederic Remington, der einige der berühmtesten Wild-West-Skulpturen schuf. Darunter den «Broncho Buster», einen Cowboy, der in spektakulärster Rodeo-Manier einen Mustang zähmt.
«Made in the USA» als Gütesiegel
Die Werke verdankten der nostalgischen Sehnsucht nach einer einfacheren, urtümlicheren Lebensweise ihren Reiz. Attraktiv war aber auch ihr unverkennbares «Made in the USA».
Die amerikanischen Künstler rangen seit langem um eine Bild- und Formensprache, die kein blosses Nachahmen der europäischen Meister war. In diesen Bronzeskulpturen fanden sie nicht nur zu ihren eigenen Motiven, sondern auch zu ihrem eigenen Material. Denn bis dahin hatten amerikanische Bildhauer in neo-klassizistischem Stil mit italienischem Marmor gearbeitet. Bronze wurde dagegen billig im eigenen Land produziert und daher als demokratisch, also als amerikanisch empfunden.
Handwerkliches Können und der Mut zum Pathos
Dass trotzdem nicht jeder sich einen Cyrus Edwin Dallin leisten konnte, verstand sich von selbst. Seine Skulptur «Appeal to the Great Spirit» ist legendär: ein Indianer in vollem Ornat, der die Arme ausgestreckt und mit verklärtem Gesichtsausdruck den mächtigen Manitu anruft. Auch ein Exemplar von Bryant Bakers «Pioneer Woman» war nur wenigen vorbehalten: eine Farmersfrau, die mit der Bibel in der einen und ihrem Jungen fest an der anderen Hand hoch erhobenen Hauptes – komme was wolle – entgegenschreitet.
Und wer heute einer Version von Henry Merwin Shradys Büffel habhaft wird, sollte dem «Grossen Geist» danken. Dieses Tier, das bis ins kleinste Löcklein Erhabenheit ausstrahlt, ist der Stolz von Museen.
Manche dieser Skulpturen bewegen sich arg an der Grenze zum Kitsch. Doch braucht man kein Freund von Karl May zu sein, um das handwerkliche Können der Künstler zu bewundern – und ihren amerikanischen Mut zum Pathos.