Ein moosgrüner Rollkragenpullover, darüber eine lange, goldene Kette mit Herzanhänger und eine gesteppte, lederne Pradajacke. Die Haare dunkelgrau und dicht, zum Pilz geschnitten. Auf der Nase eine getönte Sonnenbrille, unter welcher man die Augen nur bei genauem Hinsehen erkennen kann. Die 90-jährige Lisbet Schläpfer zieht Blicke auf sich, trotz ihrer zierlichen Figur.
Ihr und ihrem Mann ist die neue Ausstellung «Lisbet und Robert Schläpfer Textile Innovation 1965-95» gewidmet, welche zurzeit im Textilmuseum St. Gallen gezeigt wird. Ein Ehepaar, das die Textilindustrie der Ostschweiz nachhaltig prägte, mit ihren Stoffen, mit ihren Stick-, Druck- und Nähverfahren. Wobei Lisbet Schläpfer vor allem im Atelier tätig und für die Kreationen zuständig war. Zu Beginn der 60er Jahre bestand das Kreativteam aus vier Köpfen: Nebst Lisbet Schläpfer zählte auch Peter Käser dazu, der die Ausstellung nun kuratiert.
Mit teuren Stoffproben zu den Designern
Gemeinsam erfanden sie neue Verfahren der Stoffbearbeitung, insbesondere ein Verfahren und eine Maschine, um Pailletten auf Stoff zu sticken. Das dazugehörige Patent beantragten sie in einer Zeit, in welcher die Haute Couture das Mass aller Dinge war, in der Designer wie Armani, Dior oder Yves Saint Laurent es nicht auf Tragbarkeit abgesehen hatten, sondern primär verblüffen wollten. Der Markt und die Kollektionen waren ausgerichtet auf die Upper Class und Adelsfamilien, auf Filmstars und Königinnen.
Entsprechend aufwendig und kunstvoll waren die Stoffmuster, welche die Schläpfers entwarfen. Regelmässig reiste ein Mitarbeiter mit zwei Koffern voller teurer Stoffproben von St. Gallen nach Paris in die Ateliers der Designer. Das Ansehen des Ehepaars Schläpfer war hoch in der damaligen Modewelt. So proklamierte beispielsweise Karl Lagerfeld, der schon damals für Chanel arbeitete, das Exklusivrecht auf Schläpferstoffe, womit er stets als erster aussuchen durfte.
Ein sicheres Gespür für Trends
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Ihren Mann Robert Schläpfer heiratete Lisbet Schläpfer 1955 und stieg sofort ins Familienunternehmen ein. Er war ein Tüftler und für die technische Innovation im Unternehmen zuständig, Schwiegervater Jakob Schläpfer für die Finanzen. Die Passion von Lisbet Schläpfer waren von Beginn weg die Farben.
Die 31-Jährige konnte nicht nähen und hatte auch nicht die Absicht, es zu lernen. Lieber beschäftigte sie sich mit Farben und Mustern und ihrer Kombination. Sie färbte die meisten Elemente für die Schläpferstoffe selber ein. Hier entwickelte die modebewusste Frau ihr sensibles Gespür für Trends: «Eine Farbe hat in der Mode eine Geschichte und einen Rhythmus. Wenn es sehr farbig war, hat man gewusst, jetzt wird es dezent: grau, schwarz, weiss. Wenn das am Ende war, war es dann marine: bleu, blanc, rouge. Die Pastelltöne hielten sich immer am längsten, diese wirklich grellen Farben hatten nie eine lange Dauer.»
Das Ende einer Ära
Mit der Zeit entwickelten Lisbet Schläpfer und ihr Team ein Gefühl für die Bedürfnisse der verschiedenen Designer und konnten so auf Verkaufserfolge aufbauen. Das Unternehmen konnte wachsen und umfasste 1995 rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und diverse Verkaufsbüros in der ganzen Welt.
Zu diesem Zeitpunkt sind Lisbet Schläpfer und ihr Mann Robert über 70 Jahre alt und bereit, sich von ihrem Unternehmen zu trennen. Da keiner der beiden Söhne als Nachfolger in Frage kommt, verkaufen sie die Jakob-Schläpfer AG auswärtig, in der Hoffnung, dass die neuen Käufer das Unternehmen in ihrem Sinne weiterführen werden. Denn unter den Schläpfers herrschte eine spezielle Firmenkultur, alle Mitarbeiter erhielten zum Beispiel eine Gewinnbeteiligung.
Diese Erwartung wurde jedoch enttäuscht. Bereits 1997 veräusserten ihre Nachfolger das gesamte Unternehmen an ein anderes St. Galler Textilunternehmen, worauf sich in punkto Unternehmenskultur und Mitarbeiterführung einiges änderte.
Doch noch immer stehen Schläpferstoffe weltweit für höchste Qualität. So gibt es bis heute Stimmen in der Modewelt, die meinen, dass jene Kunst, Tradition mit Innovation zu paaren, von niemanden so perfekt beherrscht wurde wie von Lisbet und Robert Schläpfer.