Der dritte Band der Reihe «Bilderwelten» versammelt den bisher kaum erforschten Bildnachlass des 1886 gegründeten Photographischen Instituts der ETH Zürich. Das Buch – ausgezeichnet als eines der schönsten Schweizer Bücher – offenbart die Bedeutung, welche die analoge Fotografie bis Ende des letzten Jahrhunderts für den Forschungsbetrieb hatte.
Die eigenen Bildbestände wurden teilweise durch Ankäufe ergänzt. So gelangten etwa früheste Mondaufnahmen in den Besitz der ETH. Anhand des reichhaltigen Bilderfundus beleuchtet die Historikerin Monika Burri unterschiedliche Zugänge, welche die Fotografie im Kontext der ETH einnahm.
Das Grafikerduo Megi Zumstein und Claudio Barandun brachte Ordnung in den Bildermix aus abstrakten Formen, Porträts und experimentellen Versuchsanordnungen. Sie gingen dazu nicht chronologisch oder thematisch vor. Stattdessen griffen sie wie in einem Essay Schwerpunktthemen ästhetischer Elemente auf, die über rein formale und visuelle Bezüge funktionieren.
Medium des Wissens und der Repräsentation
An der Hochschule war die Fotografie in erster Linie ein Medium des Wissens – in doppeltem Sinne: als Gegenstand sowie als Instrument wissenschaftlicher Forschung. Sie diente der wissenschaftlichen Erkenntnisproduktion als Medium der Beobachtung, Dokumentation und Vermittlung. Zugleich betrieb man im 1886 gegründeten Photographischen Institut fototechnische und -chemische Grundlagenforschung. Diese Geschichte wird von Monika Burri nun ausführlich nachgezeichnet.
Neben dem Blick ins Weltall und ins Mikroskop finden sich im Buch auch Gruppenbilder, auf denen sich die – meist männlichen – Naturwissenschaftler selber in Szene setzen – auf einem Gletscher, im Labor oder im Hörsaal. Mit den Fotos dokumentierten sie nicht zuletzt den Wissenschaftsbetrieb. Die Fotografie trug wesentlich zur Repräsentationskultur der Eidgenössischen Technischen Hochschule bei.
Der Forschungsfotograf ist tot
Heute ist die Forschungsfotografie, wie in der Publikation präsentiert, ausgestorben – längst wurde sie Opfer der technischen Entwicklung. Michael Gasser, Leiter der Archive der ETH-Bibliothek, erklärt: «Mit der Digitalisierung wurde das Photographische Institut überflüssig. Die Fotografie als hermeneutisches Instrument hat ausgedient.»
Die Visualisierung von Daten hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Heute lesen Forscher kaum mehr Daten aus Bildern heraus, im Gegenteil: Sie übersetzen Daten zur besseren Verständlichkeit in Bilder. «Das ist eine eigentliche Trendumkehr», sagt Gasser. Beispiele dafür fänden sich etwa in den bildgebenden Verfahren der Medizin oder Untersuchungen in der Nuklearforschung.
Problematisch ist die Entwicklung für die Archivierung: Wie kann man diese Transformation sichtbar machen, wie die unzähligen unterschiedlichen Medien und Formate erhalten? Mit dem Aufbau eines digitalen Langzeitarchivs versucht die ETH, der Vergänglichkeit entgegenzutreten.
Forschung visuell vermitteln
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Veränderte Produktionsverhältnisse finden sich in allen Bereichen: Bilder von Exkursionen werden nicht mehr auf institutioneller Ebene produziert, ebenso auf der Ebene der Repräsentation: Die Fotografie hat sich von der Institution losgelöst. Es existiert kein Hausfotograf mehr, der um das Image bedacht ist – freischaffende Fotografen liefern heute Bilder für Website und Jahresberichte.
Die diversen Funktionen und Tätigkeiten des einstigen Photographischen Instituts haben sich ausdifferenziert. Unverändert bleibt der Anspruch, Forschung visuell zu vermitteln. Über das Bild läuft nicht zuletzt eine gesellschaftliche Grundsatzdebatte: Die durch Staatsgelder finanzierte Arbeit von Forschern und deren Wert muss für Fachleute wie für die breite Öffentlichkeit nachvollziehbar sein. Sämtlichen Veränderungen zum Trotz – am einfachsten erreicht man dies immer noch übers Bild.