«Wenn ich das blaue Meer mit den weissen, glitzernden Segeln des Sydney Opera Houses sehe, dann weiss ich, ich bin zuhause», sagt Hannah Walker in einem Café mit Blick auf das berühmte Bauwerk. Die Studentin kennt das Opernhaus gut. Sie erlebte dort Ballettaufführungen, klassische Musik, Rockkonzerte, Comedy, Filme mit Musikbegleitung und heisse Diskussionen. Als Kind durfte sie dort sogar einmal mit dem Schülerchor auf der Bühne stehen. Das Opernhaus ist für sie, wie für fast alle Australier, das Herzstück von Sydney.
Über acht Millionen Besucher
Bei jedem grossen festlichen Anlass steht das glitzernde Gebäude am Hafen im Zentrum – ob Olympiade, königlicher Besuch, Schiffsparaden, Nationaltage oder das jährliche Silvesterfeuerwerk. In und um die Oper ist ständig etwas los. Nach der Arbeit treffen sich die Sydneysiders in den Bars, Restaurants und Cafés in der Opernkolonade direkt am Wasser. Familien, Schülergruppen und Touristen lassen sich tagsüber durch das Opernhaus führen, picknicken auf den flachen, rötlichen Treppenstufen und fotografieren sich gegenseitig.
Über 8 Millionen Menschen sehen sich das Opernhaus jedes Jahr an, 1,3 Millionen besuchen Vorstellungen und 300‘000 buchen Opernhausführungen. Sydneys Bürgermeisterin Clover Moore hat viele «wunderbare Vorstellungen» im Opernhaus erlebt. Doch am meisten liebt sie den Blick vom botanischen Garten auf die Oper. «Ich setze mich auf die Steinbank im Schatten der Feigenbäume und blicke durch die Äste auf das Opernhaus, die Brücke, das Meer. Es ist so friedlich und sehr, sehr schön.»
Wegweisendes Design mit Problemen
Doch die Australier waren nicht immer so von ihrem Opernhaus begeistert. Das «innovative, idealistische, visionäre Design» des jungen dänischen Architekten Jørn Utzon erschien vielen Australiern vor 40 Jahren «fremd und monströs», erinnert sich Alec Tzannes, Architekt und Dekan an der Universität von New South Wales. Ein Komitee internationaler und australischer Architekten hatte Utzons revolutionären Entwurf 1957 aus über 200 Vorschlägen für ein Opernhaus in Sydney ausgewählt. In Australien war das «eine Zeit des grossen Optimismus, ein Zeitpunkt in unserer Geschichte, in der ein Mensch mit aussergewöhnlicher Vorstellungskraft und Fantasie ein Baukunstwerk ersinnen konnte, wie man es vorher noch nie gesehen hatte.»
1959 begannen die Arbeiten am Opernhaus, das weitgehend durch eine Lotterie finanziert werden sollte. Das wegweisende Design brachte Probleme mit sich. Jørn Utzon und sein Team mussten viele Bautechniken erst neu entwickeln und das Projekt wurde immer teurer. Die Regierung wechselte, Sparzwang und Misstrauen lösten Pioniergeist und Enthusiasmus ab.
Utzon sollte sein Design verändern, doch der Architekt verweigerte Kompromisse und ein Diktat der Mittelmässigkeit. Er kündigte und verliess Sydney. Studenten, Architekten, Künstler und Intellektuelle demonstrierten gegen seine «Vertreibung durch die Politiker».
Sydney wird eine Metropole
Utzon hat sein Kunstwerk nie vollendet gesehen. Andere Architekten führten den Bau weiter. Am 20. Oktober 1973 wurde das Sydney Opera House von Königin Elizabeth II. feierlich eröffnet.
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Der Anblick der glitzernden weissen Keramiksegel des neuen Bauwerks am Rande des Meers zwischen Hafenbrücke und botanischem Garten verschlug selbst Kritikern den Atem. Das Opernhaus unterstrich die natürliche Schönheit des Hafens der Stadt, als ob Sydney «nur darauf gewartet hätte, dass dieses wunderbare Objekt erschien, um seinen Platz einzunehmen», schrieb der australische Schriftsteller David Malouf .
Das radikale, moderne Baukunstwerk transformierte das Image Sydneys «von einer Provinzstadt zur internationalen Metropole eines weltoffenen Landes», meint Professor Tzannes. Mehr als 600 Menschen arbeiten heute im Opernhaus mit dem daneben liegenden Konzertsaal, Theatern, Cafés, und Restaurants.
Ganz grosse Oper ist ausgeschlossen
«Jedes Mal, wenn ich hier am Hafen entlang auf die Oper zulaufe und die weissen Segel des Opernhauses in der Sonne glitzern sehe, bin ich von neuem begeistert.» Emma Sholl ist Flötistin im Sydney Symphony Orchestra, die grosse Konzerthalle ist ihr Arbeitsplatz. «Wenn man dort auf die weite Bühne tritt vor über 2500 Menschen, dann ist das immer ein besonderer Event.»
Doch es gibt auch Probleme. Die Akustik des Opernhauses ist verbesserungsbedürftig, der Orchestergraben viel zu klein. Manche Musiker sitzen bis zu sechs Meter weit unter der Bühne. Die Streicher müssen sich hüten, ihren Nachbarn den Ellbogen in die Rippen zu stossen. Die Blechbläser mussten hinter einer Trennwand untergebracht werden, weil sonst die Kollegen direkt vor ihnen nichts mehr hören.
Auch die Bühne ist zu klein. Wird dort ein Ballett aufgeführt, müssen Helfer in den Kulissen stehen, um die Tänzer, die die Bühne im Sprung verlassen, aufzufangen – bevor sie in einer Wand landen. Ganz grosse Oper ist ausgeschlossen.
Nach dem 40. wird erneuert
Die Experten streiten sich, ob die Probleme durch die Änderungen entstanden sind, die nach Jørn Utzons Abreise durchgeführt wurden, um Geld zu sparen. Oder ob auch Utzons Originaldesign für das Innere des Opernhauses zu akustischen Problemen geführt hätte.
Ein Grossteil dieser Probleme soll in den nächsten zehn Jahren bis zum 50. Geburtstag des Opernhauses behoben werden. Die Umbaupläne wurden ab 1999 mit Jørn Utzon und seinem Sohn Jan, ebenfalls Architekt, abgesprochen. Jan Utzon ist seit dem Tod seines Vaters 2008 führend an dem Projekt beteiligt. Die Erneuerung des Hauses könnte über eine Milliarde Dollar Kosten. Das Geld sollen Regierungen, Privatwirtschaft und Spendenaktionen aufbringen.
Doch erst mal wollen die Australier den 40. Geburtstag ihres Wahrzeichens feiern. Es gibt wieder, wie 1973, königlichen Besuch. Diesmal allerdings nicht die englischen Royals, sondern der dänische Kronprinz Frederik und seine Frau Mary, eine gebürtige Australierin.