-
Bild 1 von 8. Semipalatinsk (seit 2007 Semei), Kasachstan, 2010: Berik Sysdikow hält seinen Neffen auf dem Schoss. Beriks Mutter lebte mit ihrem Mann als Hirtin in der Nähe des Atomtestgeländes. Zweimal hatte sie einen Atompilz gesehen, nur wenige Tage hintereinander. Bildquelle: Meinrad Schade.
-
Bild 2 von 8. Dolon, Kasachstan, 2010: Ludmila Schakworostowa mit ihren beiden geistig behinderten Söhnen Alexander und Anatoli. Ludmila hat, bevor die beiden geboren wurden, die Atombombentests aus nächster Nähe miterlebt. Die grösste Sorge der 80-Jährigen ist die Frage, wer sich nach ihrem Tod um ihre Söhne kümmern wird. Bildquelle: Meinrad Schade.
-
Bild 3 von 8. Chagan, Kasachstan, 2010: Chagan war bis zum Ende der Sowjetunion eine für Unbefugte gesperrte und geheime, aber blühende Stadt. Dort lebten vor allem Mitarbeiter des nahe gelegenen Militärflugplatzes, von dem aus im Ernstfall Atombomben zu ihren Zielorten geflogen worden wären. Bildquelle: Meinrad Schade.
-
Bild 4 von 8. In der Nähe von Askeran, Berg Karabach (Kaukasus) 2011: Kontrollierte Sprengung von Minen und «UXOs» (Unexploded Ordnance) in einem Übungsgelände der Armee. Bildquelle: Meinrad Schade.
-
Bild 5 von 8. Karabulak, Inguschetische Republik, Russische Föderation, 2013: Tschetschenische Kinder und Erwachsene im Zeltlager «Sputnik» nahe des inguschetischen Dorfes Sleptsovskaya. Bildquelle: Meinrad Schade.
-
Bild 6 von 8. Jericho, Westjordanland, 2014: Studenten der Al-Istiqlal Universität beim morgendlichen Training. Sie sollen auf die verschiedenen Berufe im Sicherheitsbereich eines unabhängigen Staates vorbereitet werden. Bildquelle: Meinrad Schade.
-
Bild 7 von 8. Waffenmesse, Paris, Frankreich, 2014: Alle zwei Jahre findet in der französischen Hauptstadt eine der weltweit grössten Waffenmessen statt. Bildquelle: Meinrad Schade.
-
Bild 8 von 8. Beltring, Grafschaft Kent, England, 2009: Jedes Jahr im Juli findet in der Grafschaft Kent die «War & Peace Show» statt. Es ist eine grosse Living-History-Veranstaltung, an der sich das Nachspielen vor allem des Zweiten Weltkriegs besonderer Beliebtheit erfreut. Bildquelle: Meinrad Schade.
Einmal pro Jahr reist der 47-jährige Schweizer Fotograf Meinrad Schade für mindestens einen Monat dorthin, wo die «richtigen» Kriegsfotografen längst weg sind – nach Tschetschenien, Inguschetien, Israel oder Kasachstan. Dort kann er keine spektakulären Bilder mehr schiessen. Aber Meinrad Schade, der einmal Biologie studiert hat, ist es gewohnt, geduldig und genau zu hinzuschauen und das Dramatische im Unspektakulären zu Tage zu fördern.
Die Folgen der Atomwaffentests
In der Steppenlandschaft im Osten Kasachstans hat Meinrad Schade Berik Sysdikow getroffen, den die Einheimischen nur den «Mann ohne Gesicht» nennen. Tatsächlich ist das Gesicht des 46-Jährigen von Hautwülsten überzogen. Berik Sysdikow ist ein Strahlenopfer. Während des Kalten Krieges hat die Sowjetunion im Osten Kasachstans 456 Atombomben getestet. Sysdikow Mutter, eine Hirtin, hat zweimal einen Atompilz gesehen.
Meinrad Schade hat Berik Sysdikow fotografiert: Der Mann hält seinen kleinen Neffen auf dem Schoss und legt sein Gesicht behutsam auf dem Haarschopf des Kleinen. Was für eine Kombination: Die helle, glatte Babyhaut kontrastiert mit der dunklen, wulstigen Haut des Strahlenopfers. Diese Aufnahme ist eines der wenigen Schockbilder, die in der Ausstellung «Krieg ohne Krieg» in Winterthur zu sehen sind. Sonst ist Meinrad Schades Bildsprache subtil, wenn er den labilen Zustand zwischen Normalität und Katastrophe zeigt.
Krieg realitätsnah inszenieren
Jüngst hat sich Meinrad Schade auch für Schauplätze interessiert, an denen Kriege inszeniert werden. Sei das an der Waffenmesse «Eurosatory» in Paris oder an der «War & Peace Show» in der englischen Grafschaft Kent, wo Kriegsszenen realitätsnah nachgespielt werden. Dabei sei das Nachspielen des Zweiten Weltkriegs besonders beliebt, erzählt Meinrad Schade, der die Inszenierungen fotografiert hat. Das Bild eines Mannes, der in tadelloser Originaluniform der Waffen-SS beim Morgenappell herumbrüllt, macht klar, dass Kriegspielen letztlich heisst, den Krieg zu akzeptieren.
Dass seine Bilder eine grosse Wirkung haben, daran glaubt Meinrad Schade nicht. Schon gar nicht, dass sie einen Krieg verhindern könnten. Aber es freut ihn, wenn die Betrachter an einem Bild der vergessenen Schauplätze hängen bleiben. Wenn sie genau schauen, vielleicht leer schlucken und dann von Bild zu Bild realisieren, wie lange ein Krieg nach seinem Ende noch präsent ist; ja den Alltag der Menschen durchdringt und prägt.