Dieter Meier sagt, er wäre eigentlich gerne bei einem (Kunst-)Genre geblieben: «Als ich jünger war, dachte ich: ‚Mensch, Dieter, du musst dich auf etwas konzentrieren, es geht doch nicht, dass du einfach überall ein bisschen rum eierst‘!» Doch es blieb dabei: Dieter Meier hüpfte von einer Kunstform zur nächsten, probierte immer wieder etwas Neues aus. Er experimentierte mit Film, Fotografie, Skulpturen und Aktionen.
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Ein pilzartiges Flechtwerk
Inzwischen hat er für diese unglaubliche Vielseitigkeit ein schönes Bild gefunden: Einem Wanderer gleich besteige er immer wieder einen neuen Berg und lerne sich so immer besser kennen. Philosophische und existentielle Fragen hätten ihn schon immer beschäftigt. Es sei sein Schicksal, diese Fragen in die Öffentlichkeit hinaus zu tragen.
In seinen vielen Kunstaktionen- und werken sieht er denn auch kaum eine chronologische Abfolge, vielmehr seien sie Zufallsprodukte seines Lebens: «Ich sehe mich als Flechtwerk, das unter dem Boden ruht. Wenn dann Temperatur und Regen stimmen, entsteht Pilz um Pilz – und ich staune darüber wie ein Dritter.»
Leicht und doch ernsthaft
Genau so sei das 1969 bei seiner allerersten Kunstaktion «5 Tage» gewesen. Meier zählte vor dem Zürcher Kunsthaus Metallstücke ab – eine auf den ersten Blick sinnlose und überaus simple Tätigkeit. Was aus heutiger Sicht als avantgardistischer künstlerischer Akt erscheinen mag, hatte damals für Meier eine ganz andere Bedeutung: Nach einigen Jahren als Profi-Poker-Spieler habe er sich selber als «Nichts» manifestieren wollen. Diese erste Aktion steht für ein Prinzip in Dieter Meiers Schaffen; verankert in seinem Leben, war sie Produkt seines persönlichen Werdegangs.
Madeleine Schuppli, Kunsthaus-Direktorin und Kuratorin, sieht auch in Meiers Arbeitsweise etwas Besonderes: «Er geht mit Leichtigkeit und Unbeschwertheit an die Dinge heran – und ist gleichzeitig bei allem, was er tut, sehr ernsthaft und präzise.»
Nebst Schrillem und Ironischem auch Stilles
Das Leichte und Verspielte ist ein wiederkehrendes Element in Dieter Meiers Kunst. Er verdreht Realitäten, stellt scheinbar Unumstössliches auf den Kopf und zwingt dadurch den Betrachter zu einer neuen Wahrnehmung. Viele seiner Arbeiten sind verspielt und kritisch zugleich; so auch seine Aktion von 1971 in New York, als er mehreren hundert Passanten für einen Dollar die Worte «Yes» und «No» abkaufte.
Die Retrospektive zum Werk des Zürchers ist reichhaltig, fast zu reichhaltig. Kein Kapitel des «Gesamtkunstwerks» Dieter Meier lässt sie aus. Was einen in der Ausstellung vielleicht am meisten überrascht, sind die unspektakulären Werke von Meier, darunter zum Beispiel die «Non Shots» von 1980: unprätentiöse Fotografien völlig unbedeutender Objekte, aufgenommen aus einer ungewohnten Perspektive. Diese stillen Werke mischen das Schrille und Ironische in der Schau angenehm auf.