- Wael Shaky erzählt mit Marionetten die Geschichte der Kreuzzüge aus arabischer Sicht.
- Dem Künstler geht es nicht um eine plakative Darstellung bekannter Geschichten, sondern um die Relativität und Manipulierbarkeit von Geschichte.
- Das Marionettentheater ist für ihn die bestmögliche Form, von historischen Ereignissen zu erzählen.
Von aussen zeigt sich der schlichte Bau des Kunsthaus Bregenz ungewöhnlich farbenfroh: Der obere Teil des vom Basler Architekten Peter Zumthor geplanten Gebäudes ist in die Farben einer fiktiven Flagge gehüllt. Im Innern indes filtern dunkelblaue, semi-transparente Fensterbespannungen das Licht. Dazu erklingen arabische Gesänge. Wer die Ausstellung von Wael Shawky betritt, der taucht ein in eine andere Welt.
Die orientalischen Gesänge und Rezitationen arabischer Texte erzeugen einen zauberischen Soundrahmen, in dem die Marionetten des ägyptischen Künstlers Wael Shawky (*1971) ein bezwingendes Eigenleben entwickeln. In Vitrinen lassen sich einige dieser aufwendig gestalteten Figuren bestaunen. Es sind eigenwillige Wesen, halb Mensch, halb Tier, in fantasievolle Gewänder aus Plüsch und Spitzen gehüllt, mit Köpfen aus Keramik oder aus farbig schimmerndem Muranoglas.
Tod und Krieg statt fliegender Teppiche
Ihre ganze Ausdruckskraft entfalten diese Marionetten in den Filmen, die Wael Shawky und sein Team in den letzten Jahren gedreht haben. Vor aufwendig gestalteten Kulissen verschachtelter Städte agieren die Marionetten als Kalifen und Kundschafter. Historische Texte in Hocharabisch begleiten das Spiel. Doch was zunächst aussieht wie ein üppig dekoriertes Märchen, erweist sich beim Blick auf die englischen Untertitel als erschreckendes Spiel um Tod, Krieg und Verderben. Nicht über Wunderlampen und fliegende Teppiche sprechen die Puppen, sondern über Brandschatzer, Plünderer und falsche politische Freunde.
Wael Shawkys Filmtrilogie «Cabaret Crusades» basiert auf einem Buch des libanesisch-französischen Autors Amin Maalouf, das von den Kreuzzügen aus arabischer Sicht erzählt. Aus dieser Perspektive sind die Kreuzzüge, die vorgeblich der Befreiung Jerusalems von den Heiden dienten, alles andere als ein Heiliger Krieg. Sie sind schlicht Angriffe feindlicher Invasoren, bei denen es, wie in allen Kriegen, um Geld, Macht und Einfluss geht.
Verhältnis von Geschichte und Geschichten
Zwei der Filme des «Cabaret Crusades» und einige der darin verwendeten Marionetten sowie ergänzende Zeichnungen und Objekte sind in der Ausstellung im Kunsthaus Bregenz zu sehen. Die Puppen sind sehenswert, nicht nur, weil sie handwerklich wunderbar gemacht sind. Ihre Fantasieköpfe stecken voller Persönlichkeit, ohne dass hier in eindeutiger Weise Charaktereigenschaften abgebildet würden.
Wael Shawky geht es nicht einfach um eine plakative Umkehrung einer oft erzählten Geschichte. Er interessiert sich nicht nur für historische Ereignisse, sondern auch für die Relativität und Manipulierbarkeit von Geschichte. Das Marionettentheater ist für ihn die bestmögliche Form, um auf einer überpersönlichen Ebene von historischen Ereignissen zu erzählen. Das märchenhafte Element, das in der Puppen-Inszenierung mitschwingt, ist ihm dabei willkommen, regt es doch dazu an, über das Verhältnis von Geschichte und Geschichten, Wahrheit und eigenem Standpunkt nachzudenken.