Misheck Masamvu betrachtet sein noch unvollendetes Werk. Um ihn herum herrscht künstlerisches Chaos: An den Wänden lehnen zahlreiche Gemälde, ein Bildhauer schnitzt an seiner Holzskulptur, der Boden ist von Sägespänen und Farbklecksen übersät.
Vor gut zwei Jahren hat Masamvu sein Atelier auch für andere Künstler geöffnet und in das kleine Kulturzentrum «Village Unho» verwandelt. «Viele hatten keinen Ort, an dem sie ungestört arbeiten konnten», erklärt der 34-Jährige. Ateliers, Galerien und Fördergelder sind in Simbabwe Mangelware.
Einschränkung der künstlerische Freiheit
Zwischen zwei Bildern, die im Atelier an der Wand lehnen, lugt ein Portrait des seit über drei Jahrzehnten autokratisch regierenden Präsidenten Robert Mugabe hervor; wie zur Erinnerung daran, dass seine Augen überall sind. Der Geheimdienst überwacht Kulturinstitutionen und taucht regelmässig bei Ausstellungen und Konzerten auf.
Presse- und Meinungsfreiheit sind in Simbabwe eingeschränkt, regimekritischen Künstlern drohen Zensur und Verhaftung. Viele von ihnen leben deshalb mittlerweile im Exil. Auch Misheck Masamvu hat schon darüber nachgedacht, mit seiner Frau und den beiden Söhnen auszuwandern. «Aber ich versuche in meiner Heimat zu bleiben, solange ich kann.»
Masamvu gilt als einer der vielversprechendsten zeitgenössischen Maler Simbabwes. Nach der Ausbildung an der renommierten Galerie Delta in Harare bekam er ein Stipendium an der Kunstakademie in München. Danach kehrte er zurück in seine Heimat.
Erfahrung mit Zensur
Ein Höhepunkt seiner bisherigen Karriere war 2011 die Teilnahme an der Biennale in Venedig. Doch es gab einen Wermutstropfen: Eines der Werke, das er für den Simbabwe Pavillon ausgewählt hatte, wurde zensiert. «Die Regierung versteckt es wahrscheinlich bis heute irgendwo.»
Masamvu hat sich von dieser Erfahrung nicht einschüchtern lassen. Kurzlebige Kontroversen interessieren ihn ohnehin nicht; er sieht sein Werk als Teil der Geschichtsschreibung. Seine grossformatigen Gemälde zeigen gesichtslose Figuren, stumme Schreie, abgetrennte Gliedmassen: verstörende Szenen, gewürzt mit einer kräftigen Portion schwarzen Humors.
Seine vielschichtige Symbolsprache erzählt von Simbabwes patriarchalischen Traditionen, der Kolonialzeit und der aktuellen autokratischen Herrschaft. «Ich kann sogar Anspielungen über den Präsidenten machen», sagt er grinsend. Entweder entdecke Mugabe sie nicht, oder er ignoriere sie, weil er wisse, dass die meisten Simbabwer diese Bilder nie sehen werden.
Kunst gilt als elitär
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Für die Mehrheit der Bevölkerung geht es, angesichts der Dauerkrise in ihrer Heimat und einer Arbeitslosigkeit von über 80 Prozent, ums nackte Überleben. «Kunst gilt als elitär. Es mangelt an Interesse und Verständnis», sagt Masamvu bedauernd.
Um das zu ändern bietet er Künstlern nicht nur Raum in seinem Atelier, sondern veranstaltet dort auch Ausstellungen, Diskussionsrunden und Kunstkurse. Schliesslich müssten junge Talente dazu ermuntert werden, eine eigene, kritische Stimme zu entwickeln.
Kampf gegen die Schere im Kopf
Vor allem unter Nachwuchskünstlern ist Selbstzensur verbreitet. Fälle von Kulturschaffenden, die verhaftet werden, wirken abschreckend, bestätigt auch die Leiterin des Goethe-Zentrums in Harare, Roberta Wagner. Allerdings handele es sich dabei eher um Ausnahmen. «Es wird vor allem mit der subtilen Angst gespielt.»
Von dieser Angst dürfe man sich nicht beherrschen lassen, sagt Misheck Masamvu zum Abschied kämpferisch. Er ist überzeugt davon, dass Künstler in Simbabwe langfristig zu einer Veränderung der Gesellschaft beitragen können, auch wenn sie kurzfristig machtlos erscheinen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 22.8.2014, 16:45 Uhr.