Alles andere als konservativ: Fernab des konventionellen narrativen Kinos haben Schweizer Filmschaffende immer wieder mit den cineastischen Regeln gebrochen und Experimente gewagt – sei es, um mit unkonventionellen Bildern zu provozieren, Installationen zu schaffen, oder verspielt die abstrakte Schönheit des Mediums zu erkunden und herauszufinden: Was ist mit Kameras, Filmrollen oder Videobändern alles möglich?
Von den 1950er- bis in die 1980er-Jahre: Der Korpus der Ausstellung «Film Implosion!» in der Freiburger Kunsthalle Fri-Art ist riesig und kaum auf einen Nenner zu bringen. Neben bekannten Filmschaffenden wie Fredi Murer, Jean-Luc Godard oder Peter Liechti trifft man auf Namen, die man nicht in erster Linie mit dem bewegten Bild verbindet: Den Bildhauer Bernhard Luginbühl etwa, oder den Musiker Dieter Meier. Zu entdecken gibt es aber auch hinreissende Werke von Kunstschaffenden, die in der heutigen Populärkultur keine Begriffe mehr sind.
Flackernd, psychedelisch, provozierend
Einige Filme sind nur wenige Minuten lang, andere dauern etliche Stunden. Einige nimmt man wie ein flackerndes Gemälde an der Wand zur Kenntnis, das die Sinne mit psychedelischen Farben, Formen und Klängen einlullt. Andere Filme wollen provozieren, aufrütteln, schockieren.
Zum Einsatz kommen Animations- und Schnitt-Techniken, in einigen Fällen wurde das Filmmaterial von den Kunstschaffenden mit Messer oder Farbe bearbeitet. Einige Werke sind das Ergebnis von monatelanger, minutiöser Planung, andere entstanden aus purem Spieltrieb. Experiment bedeutet ja schliesslich vor allem: Ausprobieren. Ausprobieren, wie eine Szene wirkt, wenn man sie beschleunigt, rückwärts laufen lässt oder mit einer Tonspur versieht, welche die Bilder aus ihrem Kontext reisst.
Die Schweizer Andy Warhols
Der Nachweis ist somit erbracht: Auch die Schweiz hatte ihre Oskar Fischingers, ihre Stan Brakhages, ihre Maya Derens und ihre Andy Warhols. In ihrer gewollten Breite vermittelt die Ausstellung «Film Implosion!» den Eindruck einer alternativen Schweizer Filmgeschichte, die bisher noch nicht zusammenfand und die erst jetzt geschrieben wird. Aus dieser Perspektive macht die immense Fülle des gezeigten Materials durchaus Sinn: Weniger wäre hier für einmal nicht mehr gewesen.
Die hohe Anzahl der Werke stellte die Kuratoren François Bovier und Balthazar Lovey allerdings vor eine ganz praktische Frage: Wie zeigt man derart viele Filme in überschaubaren Räumlichkeiten, ohne dass sie voneinander ablenken?
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Kompromisse und Querbezüge
Es galt, Kompromisse zu finden: Einzelne Filme sind an den Wänden «ausgestellt», andere laufen isoliert, hinter Vorhängen. Einige beschallen den abgedunkelten Raum, andere geben ihre Tonspur nur per Kopfhörer frei.
Zur vollen Geltung kommt dabei natürlich nicht jedes Werk, und alles zu sehen ist fast unmöglich, aber dafür tun sich interessante historische Querbezüge auf. Und bisweilen entsteht sogar der leicht gespenstische Eindruck, diese vielfältigen Filme würden sich gegenseitig anstrahlen und untereinander kommunizieren.