Es gibt Fotos von Ferdinand Hodler, die einen Tag vor seinem Tod gemacht wurden. Sie zeigen Hodler mit seiner Familie auf einer Promenade am Genfersee. Neben ihm seine zweite Ehefrau Berthe, an ihrer Hand Hodlers Tochter Paulette. Es sind intime Bilder eines kleinen Familienausflugs. Es sollte Hodlers letzter Spaziergang werden.
Hodlers zweite Ehefrau wahrte den Schein
Diese Fotos sind schon fast die Quintessenz von Hodlers Welt der Frauen. Da ist seine zweite Ehefrau Berthe: gutbürgerlich, schicksalsergeben und den Schein wahrend. An ihrer Seite Paulette. Nicht ihre eigene, sondern Hodlers Tochter mit seiner Geliebten Valentine, die ein paar Jahre zuvor stirbt.
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Und die Fotografin: Gertrud Dübi-Müller, Tochter einer Fabrikantenfamilie aus Solothurn, eifrige Hodler-Sammlerin und sehr eng mit Hodler befreundet. Laut Briefen hat Hodler ihr den Hof gemacht, er hat sie an die 14 mal portraitiert, doch sie hat ihn auf Distanz gehalten. Ulf Küster, Kurator der Fondation Beyeler, der ein kleines biografisches Büchlein über Hodler verfasst hat, über Hodlers Beziehung zu Dübi-Müller: «Sie war eng mit ihm befreundet. Wie eng, weiss niemand, es gibt nur Mutmassungen.»
Frauen in Bildern verewigt
Als Hodler stirbt ist er ein Star. Der erste Kunststar der Schweiz. Fürs Landesmuseum malte er die Schlacht von Marignano, das Kunsthaus Zürich widmete ihm zu Lebzeiten eine grosse Retrospektive, in Wien an der Sezession bewunderten ihn Klimt und Schiele und er war mit seiner Kunst sehr reich geworden.
Was er aber auch hinterlässt, sind eine Anzahl Affären und Frauengeschichten. Die meisten davon mit Frauen, die er in seinen Bildern verewigt hatte. Doch eines ist gemäss Küster klar: «Picasso hatte mehr Affären.»
Als Hodler die Banknoten für die Schweizer Nationalbank entwerfen soll, geht er soweit sowohl seine Ehefrau, wie auch eine seiner Geliebten auf der 50er Note verewigen zu wollen. Die Schweizer Nationalbank lehnt den Entwurf ab. Ob sie den Skandal wittert?
Hodlers Angst vor dem Tod
Auch seinen ersten Ruhm verschafft sich Hodler mit einem Skandal. Das Bild «Die Nacht», zeigt den Tod, der ihm (Hodler selbst) auf der Brust sitzt. Daneben liegen schlafende nackte Frauen. Das Bild wird aus der kantonalen Genfer Ausstellung des Beaux Arts als sittenwidrig ausgeschlossen.
Angst vor dem Tod und die Frauen waren Hodlers grossen Themen. Bis zu seinem 14. Lebensjahr sterben alle seine vier Geschwister an Tuberkulose. Hodler erlebt nicht nur, wie seine Mutter erkrankt, sondern auch, wie sie neben ihm auf dem Feld tot zusammenbricht.
Als Hodler die Pariser Tänzerin Valentine Godé-Darel trifft, kommt alles zusammen: Leben, Leidenschaft, Tod. Sie schenkt ihm die Tochter Paulette und erkrankt kurz darauf an Krebs.
Hodler zeichnet sie auf ihrem Krankenlager. Auch noch, als es schlimmer wird. Er dokumentiert den Verfall seiner Geliebten. Er malt über ein Dutzend Gemälde und mehr als 100 Zeichnungen. Hodler dokumentiert das Sterben seiner Geliebten, die gleichzeitig die Mutter seiner Tochter ist. Es sollte eines seiner Meisterwerke werden.