Dieses Jahr zog es viele der Kunst wegen ins bündnerische Bergell. Im Juli verbuchte die Bergregion über ein Drittel mehr Übernachtungen im Vergleich zum übrigen Graubünden.
Das Konzept: Von Juni bis September lassen sich im Val Bergell verschiedene Kunstwerke bestaunen. Aber nicht alle auf einem Fleck – die Kunst führt von der Wiese bis zum Dorfbrunnen. Silvia Hofmann ist im Vereinsvorstand der Bergeller Biennale und weiss, was hinter dem Erfolg steckt.
SRF: Das Bergell ist sehr abgeschieden und nur schwer erreichbar, selbst von Chur aus. Ist es nicht paradox, dass es so viel Publikum angelockt hat?
Silvia Hofmann: Das ist es wirklich. Aber wir machen die Erfahrung, dass kunstinteressierte und vor allem an zeitgenössischer Kunst interessierte Menschen den Entscheid fällen, diese lange Reise auf sich zu nehmen.
Das braucht Zeit und kostet Geld. Aber die meisten Gäste sind begeistert und kommen wieder.
Was sind die Gründe für den grossen Erfolg der Biennale Bregaglia, die dieses Jahr zum zweiten Mal stattfand?
Ich sehe hauptsächlich zwei Gründe: Abgesehen von der Qualität der jeweiligen Ausstellung ist das zum einen die Akzeptanz in der Bevölkerung. Wir haben eine Gemeindeversammlungsabstimmung gewonnen, an der uns für die Biennale eine Leistungsvereinbarung zugesprochen wurde.
Zum anderen liegt der Erfolg auch an der sehr guten Zusammenarbeit mit der lokalen Tourismusförderung, welche die Biennale in ihr Marketing einbezieht.
Warum ist die Verankerung in der Bevölkerung so gross?
Das hat einerseits damit zu tun, dass wir in der Region schon lange gemeinsam mit Luciano Fasciati mit zeitgenössischen Kunstausstellungen durchführen. Er führt eine Galerie in Chur, stammt jedoch ursprünglich aus dem Bergell.
Bregaglia hört nicht an der Schweizer Grenze auf.
Zum anderen ermöglichen wir den Einwohnerinnen und Einwohnern des Bergells, Orte neu zu entdecken oder wieder in ihr Bewusstsein zu rufen, an denen sie schon lange nicht mehr waren und die sie vielleicht vom Hörensagen kannten.
Das führt zu Aha-Effekten und damit zu Mund-zu-Mund-Propaganda. Und das ist sehr wichtig für die Akzeptanz.
Die Biennale fliegt also nicht wie ein Raumschiff in den Sommermonaten jeweils ein und hebt dann wieder ab?
Auf keinen Fall. Sie lässt Erlebnisse und Erfahrungen zurück, auch, was die Zusammenarbeit angeht. Wir haben eine Arbeitsgruppe im Bergell, die uns in jeder Hinsicht unterstützt. Sie übernimmt zum Beispiel die Aufsicht und unterstützt uns technisch. Dazu kommen die Hotellerie und die Gastronomie.
2024 findet die nächste Biennale Bregaglia statt. Wie will man den Erfolg wiederholen oder sogar noch steigern?
Wir sind jetzt an der Evaluation und diskutieren, ob wir zum Beispiel bei der Auswahl der Künstlerinnen und Künstler ein anderes Format wählen sollen.
Wir möchten auch unser Netzwerk nach Norditalien ausweiten. Bregaglia hört ja nicht an der Schweizer Grenze in Castasegna auf, sondern reicht bis nach Chiavenna. Die nächste Ausgabe wird das ganze Val Bregaglia miteinbeziehen. Und das reicht bis nach Italien.
Das Gespräch führte Sarah Herwig.