Die Ausstellung «Gaza à la croisée des civilisations» war eine Sensation. Nie zuvor waren in einem europäischen Museum derart viele Exponate von der palästinensischen Mittelmeerküste zu sehen.
Voller Stolz eröffnete Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey zusammen mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autorität Mahmoud Abbas im April 2007 die Ausstellung in Genf.
Zwei Monate später übernahm die Hamas in Gaza die Macht. Seitdem sind Schätze aus 6000 Jahren Geschichte in Genf blockiert.
«Die Palästinensische Autorität hat die Stadt Genf gebeten, die Objekte einzubehalten, bis eine sichere Rückkehr möglich sein wird», erklärt Béatrice Blandin, Konservatorin am Musée d’Art et d’Histoire (MAH). Das Museum fungiert also als «safe haven», wenn auch unfreiwillig.
Dieses Prinzip des internationalen Rechts gibt einem Staat die Möglichkeit, Kulturgüter in einen sicheren Drittstaat auszulagern, bis der Konflikt vor Ort beigelegt ist. Im Falle Genf wurde dies bereits einmal praktiziert, als während des Spanischen Bürgerkriegs Gemälde aus dem Museo del Prado nach Genf gebracht wurden.
Reichhaltiges Kulturerbe
Im vorliegenden Fall war es so, dass zwei Sammlungen in Genf zusammengeführt wurden, die eine aus dem Westjordanland, die andere aus Gaza. Als die letzten Stücke auf dem Weg in die Schweiz waren, verschlechterte sich die Situation im Nahen Osten bereits.
Seit die Hamas Gaza regiert, geniessen Kulturgüter aus längst vergangenen Zeiten wenig Aufmerksamkeit. «Dabei ist Gaza seit vielen tausend Jahren ein Verkehrsknotenpunkt zwischen Afrika, Asien und Europa», erklärt Konservatorin Blandin.
Es sei deshalb nur logisch, dass man anderswo auch Zeugnisse und Artefakte ägyptischer, assyrischer, griechischer, römischer und byzantinischer Herkunft finde. So etwa Schmuck, Amulette, Tongefässe und Münzen, aber auch Statuen von Göttern wie der Aphrodite.
«Bei Ausgrabungen unter der Kathedrale Saint-Pierre in Genf fanden wir gar eine Amphore, die eindeutig aus Gaza stammt», sagt Béatrice Blandin.
Abgeriegelt und isoliert
Heute ist Gaza ein von Israel und oft auch von Ägypten strikt abgeriegeltes Stück Land, das von manchen Beobachtern auch als grösstes Freiluftgefängnis der Welt bezeichnet wird. Als die islamistische Hamas im Januar 2006 die Wahlen zum palästinensischen Nationalrat gewann und dann im Juni 2007 in Gaza auch die Macht übernahm, rieb man sich im Westen verwundert die Augen. Ein Jahr später führten Israel und die Hamas den zweiten von drei Kriegen mit tausenden Toten.
Die Rückreise nach Gaza war also unmöglich. Doch warum wurden die Artefakte nicht in den anderen grösseren Teil Palästinas, ins Westjordanland gebracht?
«Das Problem ist», erklärt Béatrice Blandin, «wenn wir mit dem Konvoi ins Westjordanland fahren wollen, müssen wir durch Israel oder israelisch kontrolliertes Gebiet reisen. Und auf die Bewilligung der israelischen Behörden warten wir noch.»
Keine Besserung in Aussicht
Da sich die Situation im Nahen Osten seit längerer Zeit kontinuierlich verschlechtert, sei die Vorsicht bezüglich eines sicheren Transits der insgesamt vier Schiffcontainer à 20 Tonnen nicht kleiner geworden.
Schliesslich ist das Historische Museum Genf für die Sammlungen verantwortlich, bis sie wieder an ihrem Bestimmungsort angelangt sind. Doch die Hoffnung, dass es dereinst klappt, hat Béatrice Blandin nicht aufgegeben: «Mein grösster Wunsch ist, dass die Stücke nach ihrer Rückkehr den Palästinensern dann auch gezeigt werden. Sie sind Teil ihrer Geschichte. Das wäre ein Sieg.»