Natürlich fängt alles mit den Märkten an. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts schickt Schah Abbas I. Gesandte nach Europa. Der Herrscher des Persischen Reiches besitzt das Monopol auf den Seidenhandel und will über Europa seinen Absatz vergrössern. Europa ist erst mal sprachlos. Denn die Gesandten des persischen Hofs sind unheimlich prunkvoll ausgestattet.
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Und der Prunk wird festgehalten: Die Gesandten werden portraitiert mitsamt ihrer prächtigen Gewändern. Die Bilder sind jetzt in der Ausstellung im Museum Rietberg zu sehen. Insbesondere die Niederlande, England und ihre jeweiligen Ostindien-Handelskompanien zeigten Interesse an Persien.
Abenteurer machten sich auf, im fernen Land am Hof von Isfahan ihr Glück zu suchen, unzählige Reiseberichte rapportierten die fremden Sitten. Persien wurde zur Projektionsfläche für Wunschvorstellungen und Vorurteile. Montesquieus «Lettres persanes» etwa erscheinen 1721 und nutzen Persien als utopischen Ort, an dem die europäische Realität gespiegelt wird.
Kulturaustausch im Bild
Die merkantilen Bande zwischen den Kulturen, die Händler knüpfen, führen zu einer ziemlich gleichberechtigten Begegnung, die Spuren in der bildenden Kunst hinterlässt. Und zwar auf beiden Seiten. Natürlich lernt Europa die berühmten Perserteppiche kennen und schätzen. Aber es bleibt nicht bei Teppichen: Das persische Kostüm, die prachtvollen Gewänder und Turbane finden zum Beispiel Eingang in die niederländische Malerei. Die biblischen Historienbilder werden flugs mit Persern bevölkert. Abraham trägt denn auch bei Rembrandt einen Turban über einem ziemlich niederländischen Gesicht mit Knollennase.
Umgekehrt entdecken persische Künstler über europäische Stiche den Akt. Plötzlich taucht das Sujet der nackten Frau auf. Und wird rasch integriert in die persische Tradition der erotischen Kunst. Auch die Figur des europäischen Jünglings wird in die erotische Kunst aufgenommen. Pluderhosen und Schlapphüte markieren die Europäer ebenso wirksam und plakativ wie Turbane und Umhänge in Europa die Perser markieren.
Zufall regiert
Anhand zahlreicher Beispiele, ausgesuchter Bilder und Stiche, zeigt die Ausstellung im Museum Rietberg, dass die interkulturelle Begegnung nicht frei ist von Oberflächlichkeiten und Missverständnissen. Sie zeigt aber auch, wie komplex dieser historische Austausch verlief. Und wie zufällig war, was rezipiert wurde. Manchmal diente eine Taschenuhr als Quelle. Auf einer ist eine Darstellung der Jungfrau Maria mit Jesuskind und Johannes abgebildet. Die Szene befindet sich als Miniatur auf einer Uhr und wird in die reiche persische Tradition der Miniaturenmalerei aufgenommen, nur das Kreuz wird nicht übernommen.
Bis 1720 reicht der historische Teil der Ausstellung. Und dann springt sie nicht in die Gegenwart, die Gegenwart begleitet in der Ausstellung die Vergangenheit ständig. Denn neben und um die historischen Exponate kommen die zeitgenössischen zu liegen und zu hängen. Und die beiden können es gut miteinander, der Wechsel ist erfrischend.
Der Globalisierung lässt sich auch in der zeitgenössischen Kunst nachgehen, denn neben iranischen Inhalten speisen sie sich auch aus globalisierten Erfahrungen, die interkulturell zugänglich sind.
Die Gegenwartskunst dient in der Ausstellung «Sehnsucht Persien» als Schlüssel zu den Betrachtern. Den Ausstellungsmachern, Axel Langer vom Museum Rietberg und der Kuratorin Susanne Wintsch, war es wichtig, keine rein historische Ausstellung zu machen. Zu einer solchen lässt sich leicht eine distanzierte Haltung einnehmen. Tatsächlich aber geht es um Beteiligung. Umso mehr als das westliche Verhältnis zu Iran heute von mehr Vorurteilen geprägt zu sein scheint als in der Vergangenheit, die die Ausstellung so prächtig bebildert.