Auf Joan Mitchells grossformatigen Gemälden blühen Gärten, Wiesen, ganze Felder. Sie fangen das Flirren des Lichts ein, die Wärme eines Sommertages und das Geheimnis der Vegetation – und bleiben dabei doch immer abstrakt.
Joan Mitchells gefühlte Landschaften entstanden aus einer einzigartigen Melange von spätimpressionistischen Einflüssen und dem engen Kontakt mit dem New Yorker Kreis der Abstrakten Expressionisten um Franz Kline und Willem de Kooning.
Eine Amerikanerin in Paris
Joan Mitchell wurde 1925 in Chicago geboren und entwickelte früh eine ganze Reihe kultureller und sportlicher Interessen. Als Tochter aus grossbürgerlichem Haus ritt sie Turniere, schrieb Gedichte und nahm als Eiskunstläuferin an nationalen Wettbewerben teil. Sie war ehrgeizig, sie war selbstbewusst, sie war perfektionistisch.
Ihre künstlerische Ausbildung erhielt Mitchell am Art Institute in Chicago. 1947 gewann sie ein Reisestipendium, mit dem sie nach Paris fuhr. Die französische Metropole war ihr Mekka: Von früher Jugend an bewunderte sie die französischen Impressionisten, die frühen modernen Künstler und vor allem Vincent van Gogh. In den 1950er-Jahren lebt und arbeitet Mitchell in New York. Doch ab 1959 siedelt sie sich dauerhaft in Frankreich an.
Der Rundgang beginnt
Die Ausstellung im Kunsthaus Bregenz, eingerichtet von Yilmaz Dziewior, präsentiert diese ungewöhnliche Künstlerin, die in den USA als Ikone des Abstrakten Impressionismus gefeiert wird – im deutschsprachigen Raum jedoch weitgehend unbekannt ist. In strenger Chronologie führt die Schau von den nervösen Bildern aus der New Yorker Zeit bis zu den abstrakten Gärten ihrer letzten Schaffensjahre. Eine grosse Auswahl an Fotografien und Skizzen geben zudem Einblick in das Leben der Künstlerin.
Die Bilder erzählen einiges über Mitchell als souveräne Grenzgängerin zwischen älteren Stilrichtungen und der jungen amerikanischen Kunst der Wirtschaftswachstumsjahre. Den Beginn des Parcours markieren die frühen Abstraktionen Mitchells, die von kalten Farben und einer enormen Dynamik geprägt sind. Die kraftvollen Linien, wirken wie Energie-Wirbel, die aus der Tiefe der Leinwand auf den Betrachter zukommen.
Eine Etage weiter oben lässt sich beobachten, wie sich diese Energie-Knoten im Lauf der 1960er-Jahre langsam lösen, glätten, weiten. Wärme kommt in die Bilder, ein anderes Licht. Und Titel wie «The Sky is Blue, the Grass is Green» unterstützen das Auge dabei, Landschaften in den Farbfeldern zu sehen.
Vorbild: Vincent Van Gogh
Landschaft und Natur waren zeitlebens vorherrschende Themen für Joan Mitchell. Sie bezog sich dabei gern auf Van Gogh, der in einem seiner Briefe geschrieben hatte, er male die Sonnenblumen aus Dankbarkeit dafür, dass es die Blumen gebe. Eine vergleichbare Dankbarkeit empfand auch Joan Mitchell gegenüber der Natur. Und es waren besonders die Landschaften ihrer Kindheit, die sie stets in ihrem Innern begleiteten und bewegten.
So malte Mitchell 1980 das über sechs Meter breite Quadriptychon «Minnesota», das an Sommer und Weite, Weizenfeldern und Unbeschwertheit erinnert. Ungefähr im gleichen Zeitraum entstand das ebenfalls vierteilige Gemälde «Edrita Fried», das als Hommage an die amerikanische Psychoanalytikerin gedacht ist und von dunkleren Tönen durchzogen ist.
Seit 1967 lebte Mitchell in Vétheuil, im Nordosten von Paris. Claude Monet hatte hier bereits gewohnt und gemalt. Es gibt Bilder im Spätwerk der Künstlerin, die zwar immer noch abstrakt sind, dabei aber den Impressionismus sachte zu berühren scheinen. Die «Trees» von 1992 erinnern an dunkle Zypressen. Das zwei Jahre zuvor entstandene «Rivière» evoziert einen sommerlichen Garten. Und die von Van Gogh inspirierten «Sunflowers» wirken bei Mitchell wie ein Feuerwerk der Farben.