Steht man vor der monumentalen Treppe zum Kunstmuseum Lausanne, staunt man erst einmal. Hier findet also die erste Museumsschau von Julian Charrière statt. Der junge Künstler hat den Manor Kunstpreis 2014 gewonnen, damit verbunden ist diese Einzelausstellung. Irgendwie passt dieses altmodische Museum zu ihm: Kein moderner White Cube, sondern altehrwürdige Räume mit hübschen Oberlichtern und altmodischem Täfer.
Eisberg schmelzen – mit einem Bunsenbrenner
«Ich bin sehr glücklich, dass ich hier ausstellen darf, denn Lausanne ist meine Heimatstadt. In diesem Museum habe ich als Kind viel Zeit verbracht», strahlt Julian Charrière. Aber er klagt auch über die vielen Auflagen, die der Denkmalschutz macht. Ein Wunder, dass man wenigstens Bilder aufhängen könne, sagt Charrière.
Die Bilder hängen schon, doch sonst steht noch nicht viel in den drei übergrossen Räumen des Museums. Es sind die drei Fotografien, die Julian Charrière letztes Jahr bei seinem Aufenthalt in Island zeigen. Im Schutzanzug und mit Bunsenbrenner steht er da und versucht, den Eisberg abzuschmelzen. Sein Statement zur Klimakatastrophe.
15 Tonnen Salz aus Bolivien
Der mittlere und grösste Raum ist zwei Tage vor der Ausstellungseröffnung noch nicht eingerichtet. Hier will Julian Charrière den wichtigsten Teil installieren: Eine grosse Ausgrabungsstätte soll hier entstehen. Aus Lithium, das im letzten Raum schon in riesigen Tanks steht. Er hat es aus Argentinien kommen lassen. Nun schillert es in den schönsten Farben, je nach Konzentration. Für Julian Charrière ist Lithium der Rohstoff der Zukunft.
Der Stoff, der für Charrière in dieser Installation die vergangenen Jahrtausende repräsentiert, ist noch nicht da. 15 Tonnen Salz hat er aus Bolivien bestellt. Doch bei der Einfuhr im Hamburger Hafen wurde das Salz gründlichst vom Zoll untersucht. Dadurch ist nun eine enorme Verzögerung entstanden.
Doch dann kommt der erlösende Anruf. Das Salz hat den Schweizer Zoll passiert, ist unterwegs Richtung Museum. Alle sind ungeduldig, denn die Installation ist aufwendig. Und die Zeit ist knapp.
Zeit an die Wand geschmissen
Im Museum gibt es unterdessen noch eine kleine Performance von Julian Charrière. Er wirft etwa 25 Zentimeter grosse Sanduhren, die er mit Sand von Fossilien unterschiedlicher Zeitalter gefüllt und wieder zugeklebt hat, an die Museumswand. Die Scherben bleiben am Boden, die Spuren an der Wand bleiben ebenfalls.
«Wir leben im Moment in einer Zeit, in der ganz viel ganz schnell geht. Aber mich interessiert auch das Bronzezeitalter, die Steinzeit.» Dann ist der Lastwagen mit den 15 Tonnen Salz fast da. Der Künstler und seine Assistenten warten gespannt am Hintereingang des Museums.
Lieferung mit Hindernissen
Doch auch die Anlieferung hat ihre Tücken. Der Berliner Fahrer traut sich nicht mit der schweren Ladung die kleine Strasse zum Hintereingang hinauf zu fahren. Aber jede einzlene der 15 Paletten mit den gepressten Salzblöcken wiegt rund 500 Kilo. Alles muss nachher von Hand von der Ladefläche getragen werden. Da müssen die Wege kurz sein. Mit viel Einsatz und Millimeterarbeit klappt es dann am Ende doch. Die 30 Paletten werden umgepackt und im Museumsgarten bereitgestellt.
Durchgearbeitete Nächte
Es ist Dienstagabend. Im Museum zeigt Julian Charrière anhand der Pläne noch, wie er seine Ausstellung aus Salz und Lithium aufbauen will.
Viel Arbeit steht Charrière und seinem Team bevor. Doch das ist er gewohnt. Zu seinem Leben zwischen Archäologie und Kunst gehört es, Nächte durchzuarbeiten, zu Improvisieren, viel zu Reisen.
Die Installation ist dann sehr beeindruckend: Poetisch. Archaisch. Fragen stellend. Demnächst will Julian Charrière nun endlich Ferien machen. In Indien, wo er im Dezember an eine Kunstbiennale geladen ist. Danach Nichtstun. Drei Wochen lang. Kaum vorstellbar für einen wie ihn.