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Kunst, Körper und Kommerz Nackte Frauen und Sixpacks: Diese Ausstellung lässt tief blicken

Schlank, weiss, jung und trainiert: Werbung prägt unsere Vorstellung vom perfekten Körper. Die Ausstellung «Talking Bodies» im Museum für Gestaltung Zürich fordert unsere Denkmuster heraus.

Leicht bekleidete, schlanke, junge, weisse Frauen werben für – eigentlich alles. Das macht die Ausstellung klar. Hier hängen Plakate mit halb bis gänzlich nackten Frauen für Jeans, aber auch für Bier, Warenmessen oder eine Eisenbahnausstellung. Bei Männern hingegen sieht man weniger nackte Haut.

Eine Frau sitzt am Boden und blickt zurück.
Legende: Kurzer Rock, knappe Bluse: Auch in einer Werbung der Modemarke Sisley aus den späten Neunzigern wird das Model zum Objekt. anonym, Sisley, 1998

«In der Werbung wurde seit den ersten Bild-Plakaten der weibliche Körper als erotisches Objekt eingesetzt», sagt Bettina Richter, Kuratorin der Plakatsammlung des Museums für Gestaltung Zürich. «Der männliche Körper hingegen steht immer für etwas anderes: eine gesellschaftliche Position, ethische Werte – aber nicht als Körper für sich.»

Der erste nackte Mann

Dass Männer dann doch noch mehr Haut zeigten, liegt an einem ikonischen Plakat. 1971, knapp ein Jahrhundert nach der ersten Bildwerbung, zieht sich der französische Modeschöpfer Yves Saint Laurent aus und posiert splitterfasernackt für sein eigenes Parfum.

Modeschöpfer Yves Saint Laurent posiert als junger Mann nackt.
Legende: Jeanloup Sieff schoss 1971 dieses Bild des Modeschöpfers Yves Saint Laurent, der splitterfasernackt für sein eigenes Parfum warb. IMAGO / ZUMA / Keystone

Körper in der Werbung sagen viel aus über gesellschaftspolitische Prozesse. Bettina Richter hat zum Beispiel festgestellt, dass es auch in der Sammlung des Museums für Gestaltung Leerstellen gibt. Sie wurde mit einem westlichen Blick zusammengetragen.

Diversität? Fehlanzeige!

«Queere Körper werden noch immer völlig ausgelassen», sagt sie. «Schwarze Menschen kommen immer nur in bestimmten Kampagnen vor, ebenso Menschen mit Behinderungen.» Auch alte Körper würden immer noch stark an den Rand gedrängt.

Plakat einer Person mit Behinderung.
Legende: Ein seltenes Motiv: Menschen mit Behinderungen sind in der kommerziellen Werbung auch heute noch kaum sichtbar. Metzger Lehner Briccola AG, Erwin Aljukic/Pro Infirmis, 2002

Natürlich gibt es Ausnahmen, auch in der Ausstellung. Eine Sportartikelfirma wirbt mit einem Model mit Downsyndrom. Ein Onlinehändler für Bekleidung nutzt Models mit nicht pseudo-genormten Körpern. Diese Ansätze seien jedoch meist nur ein Tropfen auf dem heissen Stein: «Denn diese Firmen brechen diese Ansätze immer wieder und gehen zu normschönen jungen, gesunden Körpern zurück.» Solche Werbung verkaufe sich – und damit die Produkte – nach wie vor am besten.

Die Krux der diversen Werbung

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Wie schwierig diverse Ansätze in der Werbung sind, macht auch eine Anzeige deutlich, die viele völlig unterschiedliche nackte Frauenbrüste zeigte. «Die Gründe, weswegen wir nicht nur einen neuen Sport-BH machten», hiess der Slogan der Sportartikelfirma dazu.

Doch die Firma hat die Anzeige rasch wieder vom Markt genommen, da aus verschiedenen Seiten Kritik laut wurde: «Auf der einen Seite gab es Verfechter, die finden, das zeigt jetzt Diversität», sagt Kuratorin Bettina Richter.

«Auf der anderen Seite gab es auch von feministischer Seite Kritik, dass einmal mehr weibliche Brüste im Vordergrund stehen.» Protest gab es auch von prüder Seite: «Dass man überhaupt Brüste so vorführt, respektive auch immer noch Verfechter, die meinten, in die Öffentlichkeit gehöre nur das schöne Bild des Körpers.»

Die Ausstellung erkundet auch den Giftschrank der eigenen Sammlung des Museums. Kuratorin Bettina Richter thematisiert den kolonialistisch-rassistischen Blick und zeigt die dazugehörigen Plakate – mutig und heikel zugleich: «Es ist eine Gratwanderung», bekennt sie. «Wir haben diese Bilder verinnerlicht. Deswegen ist es mir wichtig, dass diese Plakate nicht einfach in Schubladen verschwinden.» Denn sie erzählten, woher unsere heutigen Sichtweisen und Stereotypen stammten.

Werbung mit stereotypen Mustern

Alltagsgegenstände ergänzen die Schau. Eine Schuhcreme, auf der ein Mensch rassistisch-kolonialistisch als Schuhputzer dargestellt ist. Oder ein Aschenbecher mit einer nackten Frau.

Plakat einer schwarzen Person, der eine Banane hingehalten wird.
Legende: Gut gemeint, schlecht gemacht: Das Werbeplakat einer Stiftung aus dem Jahr 2005 bedient klar rassistische Klischees. Ina Hattenhauer, 2005 © Ina Hattenhauer

Den progressivsten Umgang mit Körpern leisten die gezeigten künstlerischen Positionen: Die Italienerin Alba D’Urbano etwa hat ihren Körper auf Kleidung gedruckt, sie trägt ihre Haut zu Markte.

Nackte Körper auf Kleidung gedruckt hängen in einer Ausstellung von der Decke.
Legende: Zum aus der Haut fahren: Die Künstlerin Alba D’Urbano setzt sich in ihrem Werk mit der Beziehung zwischen der eigenen Haut und Kleidung, die diese schützt, auseinander. Alba D'Urbano, Il sarto Immortale, 1994-1999 © Alba D'Urbano

Bleibt am Schluss die Gretchenfrage: Wie wirbt die Ausstellung für sich selbst? Das Plakat zur Ausstellung ist eine Collage aus Körperbildern, bei der jedoch eine Frauenbüste und ein Waschbrettbauch dominieren. «Die weiblichen und männlichen jungen Körper spiegeln immer noch unsere Sichtweisen und können kaum dekonstruiert werden», so die Kuratorin: «Genau darum geht's.» Das Plakat polarisiert.

Körperdarstellungen im öffentlichen Raum bleiben heikel. Das erfährt man im Museum für Gestaltung am eigenen Leib.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung « Talking Bodies – Körperbilder im Plakat » im Museum für Gestaltung Zürich ist noch bis zum 25. Februar 2024 zu sehen.

Zur Ausstellung ist die Publikation «Talking Bodies. Bild. Macht, Wirkung» bei Lars Müller Publishers erschienen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 3.11.2023, 17:20 Uhr

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