Elegant wirkt das neue Museum. Der lang gestreckte, schlichte Bau, ein Entwurf des japanischen Architektenbüros SANAA, erinnert ein wenig an verschachtelte Flugzeughangars: eingeschössige, ineinander verschränkte Rechtecke, kaum höher als die roten Backsteinhäuser der Arbeitersiedlungen in der Umgebung. Gebaut auf dem Gelände einer still gelegten Kohlenzeche, fügt es sich in die ehemalige Industrielandschaft ein. Die Fassade aus Glas und Aluminum schimmert leicht vor dem grauen nordfranzösischen Himmel.
Kulturpolitische Aufwertung der Provinz
Dezentralisierung heisst das kulturpolitische Zauberwort, das den reichen Louvre ins arme Lens brachte. Die Idee von Jean-Jacques Aillagon, Kulturminister unter dem Staatspräsidenten Jacques Chirac, war so simpel wie revolutionär: Die Kunstschätze der Nation sollten nicht nur in der Hauptstadt Paris zu sehen sein, sondern auch in der Provinz. Im Louvre-Lens hofft man auf mindestens 700 000 Besucher im Eröffnungsjahr.
Meisterwerke in der «Grande Galerie»
Mehr als 220 Werke aus den Pariser Louvre-Sammlungen sind nach Lens umgezogen. Architektonisches und programmatisches Herzstück des neuen Museums ist eine 3000 Quadratmeter grosse Halle, die «Grande Galerie». Für die kommenden fünf Jahre ist hier eine Ausstellung mit Schätzen aus allen Louvre-Abteilungen zu sehen: Kunst aus allen Epochen vom 4. Jahrtausend vor Christus bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Die Zeitreise durch 5000 Jahre Kunstgeschichte führt von antiken Statuen und ägyptischen Grabschätzen zum finalen Bild der Ausstellung: Eugène Delacroix' monumentalem Gemälde «Die Freiheit führt das Volk», jenem berühmten Bild mit der barbusigen Frauenfigur, die fahnenschwenkend die Revolution anführt.
Der Louvre hat mit Meisterwerken nicht gegeizt: So ist zum Beispiel Raffaels berühmtes Porträt des Baldassare Castiglione in Lens zu sehen oder «Anna selbdritt», Leonardo da Vincis wohl zweitprominentestes Frauenbildnis nach der «Mona Lisa».
Hoffen auf den «Bilbao-Effekt»
Politiker und Bevölkerung der strukturschwachen Region um Lens hoffen auf den sogenannten «Bilbao-Effekt». Die Stadt im spanischen Baskenland erlebte einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwung, nachdem 1997 das Guggenheim-Museum eröffnet hatte. Der Kulturtourismus bescherte Bilbao tausende neue Arbeitsplätze. Auch in Lens, der drittärmsten Stadt Frankreichs mit einer Arbeitslosenquote von 16 Prozent, soll das neue Museum jetzt den Strukturwandel einläuten.