Auf einigen der Bilder wirken sie wie das gewöhnliche Paar, das sie sein könnten. Einige Fotos zeigen sie zusammen im Schwimmbad, andere wie sie gemeinsam fischen. Ganz gewöhnlich ist das Paar aber nicht: Zackary Drucker war früher ein Mann, Rhys Ernst eine Frau.
Die Geschichte ihrer Beziehung ist als Fotoausstellung erstmals in der Schweiz zu sehen – und begann fast so gewöhnlich wie sie in den Bildern aussieht: In einer schwülen Nacht im August 2008 war Zackary gerade in einem Vorort von Los Angeles angekommen. Ein Freund hatte ihn dort zu einer Party in eine Villa eingeladen. Er stand da im Hinterhof dieser Villa, etwas verloren, als Rhys, 26-jährig, brünett, in blauen Bootsschuhen, aufs Kies trat. «Gott sei Dank, du rauchst», sagte Zackary.
Gemeinsame Geschlechtsumwandlung
Sechs Monate zuvor hatte sich Zackary für eine Geschlechtsumwandlung entschieden, eine «Transition», wie man richtig sagt. Zachary hatte begonnen, sich Östrogene zu injizieren und begann seinen Wandel zur Frau. Seine Schultern waren bereits etwas dünner, sein Auftreten androgyner. Auch Rhys befand sich in einer Umwandlung, ihre Stimme verriet, dass sie zu einem Mann wurde. Das Testosteron hatte sie nach nur wenigen Monaten bereits ein bisschen tiefer gemacht.
Bis zu dieser Nacht war Zackary noch nie mit einer Frau zusammen gewesen, und Rhys noch nie mit einem Mann. Dennoch verabredeten sie sich für ein paar Tage später in einem Nachtclub, eine Nacht, die bei Zackary zu Hause enden würde. Um vier Uhr morgens gab es den ersten Kuss. Der Anfang ihrer Beziehung, die bis heute hält.
Kindheit in der Vorstadt
Wenn Zackary über ihre Kindheit spricht, rümpft sie die Nase. Sie wuchs – im Körper eines Jungen – in Syracuse auf, einer Kleinstadt nördlich von New York. «Die Menschen waren so normal», sagt sie. «Ich fühlte mich als einziger Ausserirdischer.» Als Zackary vier Jahre alt war, wühlte sie im Schrank ihrer Mutter, einer Tänzerin, nach den beeindruckendsten Kostümen und fotografierte sich als Mädchen, lange bevor sie ihre körperliche Verwandlung begann. Als die Schule endete, zog Zackary nach New York und studierte Fotografie.
Rhys kam auf der anderen Seite der USA, in der Vorstadt von Los Angeles, zur Welt. Schon als Kind wusste er, damals noch im Körper eines Mädchens, dass er ein Mann war. Seine Familie lebte zu der Zeit in Lahore, Pakistan, wo sein Vater an einer Universität unterrichtete. Rhys wollte John Fire genannt werden, sein Alter-Ego mit Superkräften. Zurück in Kalifornien studierte er Film.
Durch Bilder zur Identität
Etwa zwei Wochen nach ihrem ersten Kuss begannen Zackary und Rhys, ihre Verwandlung zu dokumentieren. «Ich habe schon immer Fotografie genutzt, um mich in einer anderen Art und Weise zu visualisieren», sagt Zackary. «Es half mir, meine Identität zu definieren.»
Das Resultat sind intime Fotos. Wir sehen die Künstler von Beginn ihrer Transition an, beide androgyn mit kurzen Haaren, wie sich ihr Bild schon in wenigen Monaten verwandelt: Rhys schlingt seine mittlerweile männlichen Arme um die fragile Zackary, die zur Frau geworden ist. «Wir wollten den Leuten ein Fenster in unser privates Leben geben», sagt Rhys. «Die Bilder helfen anderen zu verstehen, wie wir leben.»
Die Dokumentation ihrer ungewöhnlichen Form einer Hetero-Beziehung zeigten sie kürzlich in einer Ausstellung im Rahmen der Biennale des New Yorker Whitney-Museums. An der Galerienmesse Volta in Basel werden die Bilder erstmals auch in der Schweiz zu sehen sein. Für Rhys ein besonderer Moment, ist doch sein Urgrossvater aus Aarau nach Kalifornien ausgewandert.
Geschlechterstereotypen «völlig absurd»
Die Bilder dienen für Rhys und Zackary als Verbindung zu ihrer Familie, eine «die für Generationen von Transmenschen» nicht vorhanden war. Doch auch als Austausch in ihrer eigenen Beziehung. «Die Umwandlung kann ein angsteinflössender Prozess sein», sagt Rhys. «Dass wir das zusammen durchmachen konnten, hat uns näher gebracht. Wenn ich Zackary ansehe, ist es manchmal so, als schaute ich in einen Spiegel.»
Doch die Arbeit diene auch als Aufruf an die Gesellschaft. «Es wirkt, als würden wir die Welt in einem schwarz-weiss-Film erleben, dabei ist das Leben vielmehr wie ein 4D-Kino. Dass wir unser Geschlecht darüber definieren was zwischen unseren Beinen wächst – oder eben nicht wächst – ist völlig absurd.»
Mitarbeit: Michaël Jarjour
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 17:10 Uhr