Von seinen Zeitgenossen wurde Max Bill oft argwöhnisch betrachtet: ein Mann, der eigenwillige Stühle, Hocker, Tische baute. Seine Kunst galt vielen als kühl, verkopft, unverständlich. Mit seinen Plastiken, architektonischen und grafischen Arbeiten stand er quer zu seiner Zeit. Aber auch mit seinem entschlossenen politischen Denken und Handeln erregte er in der Schweiz Misstrauen.
Geldbusse für den Antifaschisten
Bill sass als Parteiloser im Zürcher Gemeinderat und im Schweizer Nationalrat, trat gegen den Vietnamkrieg und für den Umweltschutz ein. 1936 wurde er vom Schweizer Staatsschutz beobachtet.
Max Bill hatte den im nationalsozialistischen Deutschland verfolgten Journalisten Alfred Thomas bei sich zu Hause versteckt. Thomas hatte für eine antifaschistische Nachrichtenagentur gearbeitet und war in Zürich untergetaucht. Er wurde darum mit einer saftigen Geldstrafe belegt, doch Alfred Thomas blieb nicht der einzige Verfolgte, dem der überzeugte Antifaschist Bill half. Immer wieder gewährte der Künstler Flüchtlingen aus Deutschland und Italien Unterschlupf.
Mit Büchern gegen das NS-Regime
Zudem unterstützte Bill die Verbreitung antifaschistischer Ideen: Er besorgte die typografische Gestaltung zahlreicher Kataloge und Bücher von Exil-Schriftstellern. Diese Bücher wurden vom wachsenden Kreis der Exilierten gelesen, teilweise aber auch nach Deutschland geschmuggelt, um Aufklärungsarbeit über das NS-Regime und die von ihm begangenen Verbrechen zu leisten.
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Vertreter einer sachlichen konkreten Kunst einerseits, politisch engagierter Kopf andererseits – bis heute scheinen die verschiedenen Facetten dieses Mannes widersprüchlich. Dabei gehört beides eng zusammen. Bill, der schon als junger Künstler und Architekt enge Kontakte zu Künstlern im europäischen Ausland unterhielt, wurde von den europäischen Strömungen der Moderne und ihrem weltanschaulichen Impetus geprägt.
Gegen emotionale Entscheidungen
Wer heute an Bills Werk die kühne Oberfläche bewundert, sieht nur die Hälfte. Denn für die Künstler des frühen 20. Jahrhunderts war Form immer auch Haltung. Die konstruktiv-klare Form sollte die industriell gefertigten Gebrauchsobjekte im historisierenden Stil ersetzen, die der Maler Theo van Doesburg als «archaistische Verwirrung» geisselte. Die klare Form sollte zudem der Willkür emotionalen Entscheidens entgegenwirken.
Piet Mondrian und Theo van Doesburg, Mitbegründer und Theoretiker der niederländischen Gruppe De Stijl, proklamierten deshalb eine Kunst, die nicht von Intuitionen inspiriert sein sollte, sondern von den Gesetzen der Vernunft. Diese rationale Kunst sollte die Menschheit zu innerer Reife und kollektiver Harmonie führen. Max Bill kannte diese Ideen, er besuchte Mondrian mehrfach.
Prägende Erfahrung Bauhaus
Im Bauhaus, der wegweisenden deutschen Kunstschule der Moderne, gehörte die kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft zum Programm. Von 1927 bis 1928 studierte Max Bill in Dessau unter anderem bei Josef Albers und Paul Klee. Das Bauhaus war als Arbeitsgemeinschaft konzipiert, dass die Unterscheidung zwischen Kunst und Handwerk aufhob. Dort setzte man sich auch für die Einebnung sozialer Unterschiede und gegen die monotone Massenware industrieller Fertigung ein.
Nicht nur die Bauhaus-Lehre hat Bill beeinflusst, sondern auch die Erfahrung, wie vehement die Nationalsozialisten diese Schule bekämpften. 1933 wurde das Bauhaus durch willkürliche Hausdurchsuchungen und Verhaftung von Studenten zur Schliessung gezwungen. Die politische Realität gab Bill immer wieder das Bedürfnis zu handeln. Die Geschichte gab ihm recht.
Max Bills Schule wird geschlossen
Wie prägend die Lehrzeit am Bauhaus für Max Bill war, zeigte sich auch nach dem Ende des 2. Weltkriegs, als er in Ulm die Hochschule für Gestaltung erbaute. Von 1953 bis 1956 war er als Rektor der Hochschule tätig und versuchte, die Bauhaus-Idee von der Arbeitsgemeinschaft zwischen Kunst und Handwerk neu zu beleben.
Dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger gefiel das Experiment nicht. Filbinger, der im Dritten Reich einen Richterposten bekleidet hatte, liess die Hochschule schliessen. Max Bill gilt heute als genialer Vertreter der Zürcher Konkreten und wichtiger Kopf der künstlerischen Moderne der Schweiz.