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Kunst mit der Camera Obscura Fotografin Andrea Good macht die Langsamkeit sichtbar

Kirchen, Schiffscontainer oder Sitzungsräume sind nicht die Sujets der Fotokünstlerin Andrea Good – sondern ihre Kamera. Sie kreiert Bilder, die überraschen.

Die meisten Menschen machen Fotos mit dem Handy. Ein Wisch, ein Bild, unbegrenzt geteilt. Andrea Good hingegen arbeitet mit einer uralten Technik, die Raum, Zeit, und Material beansprucht: mit der Camera Obscura.

Seit ihrer Ausbildung ist die Fotografin von der Lochkamera fasziniert. Sie arbeitet mit sehr langen Belichtungszeiten von bis zu zwei Wochen.

So funktioniert eine Camera Obscura

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Das Prinzip der Camera Obscura (dunkle Kammer) ist uralt. Schon Aristoteles soll darüber berichtet haben. Ein Raum wird abgedunkelt, nur ein kleines Loch bleibt offen. Durch dieses fällt ein Lichtstrahl und projiziert an die gegenüberliegende Wand das Bild der Aussenwelt, auf dem Kopf und spiegelverkehrt. Die Wand ist mit Fotopapier bespannt.

Alles Unbewegliche wird projiziert und auf dem Fotopapier festgehalten. Und alles was sich bewegt, wird unkenntlich. So entstehen faszinierende Bilder, rätselhaft und mystisch.

So gelingt es Andrea Good, Dingen und Landschaften ihre Geschichten erzählen zu lassen. «Die Zeitdauer ist im Bild enthalten. Es zeigen sich Überlagerungen und Bewegungen», erklärt Good. «Die Bilder erhalten dadurch eine besondere Aura. Sie verlangen beim Betrachten auch Zeit, und lassen die Betrachtenden immer Neues entdecken.»

Eine mondartige Landschaft.
Legende: SASC – SASSO l, in Bondo: Camera-obscura-Aufnahme, Unikat auf Fotopapier, 2020. Andrea Good

Faszinierende Bilder

Die Lochkamera gibt Andrea Good die Möglichkeit, in den Entstehungsprozess der Bilder einzutauchen. «Wenn ich selber in der Camera Obscura stehe und sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, bin ich immer fasziniert von den Bildern, die ich entdecke, wenn die Lichtstrahlen an die gegenüberliegende Wand ein Bild projizieren.»

Je nach Fotopapier, Filter und Belichtung entstehen Unikate von grosser Aussagekraft: geheimnisvolle Landschaftsbilder oder Bilder einer Stadt, wie dem Paradeplatz oder der Weststrasse in Zürich. Alle ohne Menschen, entrückt und geheimnisvoll.

Ein Ausstellungsraum mit einem wandfüllenden Foto einer Fassade.
Legende: Zürich-Weststrasse (Camera-obscura-Aufnahme, Unikat auf Ilfochrome, 2009) in der Ausstellung «Concrete – Fotografie und Architektur» im Fotomuseum Winterthur. Christian Schwager

Anachronistische Technik in schnelllebiger Zeit

In unserer digitalen Welt der Smart-Phone-Bilder ist die analoge Camera Obscura der reine Anachronismus.

Andrea Good versucht, die Langsamkeit festzuhalten. Bewegungen erscheinen wie ein Hauch und machen so die Zeit sichtbar. «Die Langsamkeit liegt mir, sie hilft mir meine Gedanken und Empfindungen auszudrücken, beziehungsweise erst zu entdecken. Weder mit einem einfachen Klick, noch mit langwieriger digitaler Bearbeitung käme ich auf vergleichbare Resultate.»

Ihre Bilder sind Unikate mit einer einzigartigen Geschichte. Entstanden durch das einmalige Zusammentreffen von Zeit, Licht, Landschaft, Menschen, Tieren, Pflanzen und Wetter.

Ein Foto der Zürcher Bahnhofsstrasse.
Legende: Bahnhofstrasse/Börsenstrasse in Zürich: Camera-obscura-Aufnahme, Unikat auf Fotopapier, 2019. Andrea Good / Kunstsammlung der Zürcher Kantonalbank

Eine bedrohte Kunst

Andrea Goods grossformatige Bilder entstehen in spezialisierten Fotolabors. Seit 30 Jahren erlebt diese Branche einen rasanten Niedergang. In der Schweiz gibt es mittlerweile nicht einmal mehr eine Handvoll Labors, die diese Technik auf hohem Niveau beherrschen.

«Dieses Wissen und die entsprechende Technik dürfen nicht einfach verschwinden», sagt Good. «Sie müssten als kulturelles Erbe unter Schutz gestellt und gefördert werden. Ist doch unsere Bildwelt während mehr als 150 Jahren durch die analoge Fotografie geprägt worden.»

SRF 1, Sternstunde Kunst, 5. 9. 2021, 12:00 Uhr

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