Candida Höfers Fotos sind das Gegenteil eines Schnappschusses. Sie sind genau geplant und exakt ausgeführt. Der Zuschauersaal der Deutschen Oper in Düsseldorf wölbt sich vor den Betrachterinnen und Betrachtern in die Weite. Dieser Raum, der für Menschen gebaut wurde, ist leer. Das Meer der weinroten Sessel breitet sich ungehindert aus und unterstreicht die Symmetrie der Zentralperspektive.
Neuer Blick durch Distanz
Alles richtet sich auf den einen zentralen Punkt in der Mitte der Bühne aus. Von dort aus schoss Candida Höfer ihr Foto. Und von der Mitte aus entdeckt sie für ihre Fotos regelmässig etwas Neues in Räumen, die Menschen kennen und regelmässig nutzen.
«Wer in eine Bibliothek geht um zu lesen, nimmt Räume anders wahr als ich mit der Kamera», sagt die Fotografin im Interview. Candida Höfer sieht die öffentlichen Räume, die sie fotografiert, mit grösserer Distanz als Bibliotheksnutzer oder Museumsbesucherinnen. Die stürzen sich auf Bücher oder Bilder, Candida Höfer auf die Architektur. Und um diese zur Geltung zu bringen, hat sie die Menschen aus ihren Bildern verbannt.
Bouillonwürfel und Nippes
Die Räume auf ihren Fotos seien heller und leichter als in Wirklichkeit, so die Fotografin. «Wenn es so etwas wie Wirklichkeit denn überhaupt gibt.» Die fotografierten Räume scheinen zu schweben. Und weil die grossen Fotos tief gehängt sind, scheint es, als könne man sie als Betrachterin betreten.
Die Ausstellung im Kunstmuseum Luzern zeigt aber nicht nur die typischen und bekannten menschenleeren Raumbilder der Candida Höfer. Zu sehen sind auch frühe Fotos, etwa die Serie «Türken in Deutschland» aus den 1970er-Jahren. Oder ganze Reihen von Schaufensteransichten mit skurrilen Arrangements von Bouillonwürfeln oder Nippes.
Alles begann in Düsseldorf
Für die Ausstellung ist Candida Höfer in ihr Archiv gestiegen, hat alte Arbeiten neu gesichtet und zu neuen Serien zusammengestellt. In kleinen Formaten an die Wand gehängt oder als Projektionen erhalten sie eine geradezu filmische Qualität.
Aus dem Blick in die Vergangenheit erschliesst sich auch der Titel der Ausstellung: «Düsseldorf». In Düsseldorf hat Candida Höfer an der Kunstakademie studiert, in der berühmten Düsseldorfer Fotoklasse von Bernd Becher. In derselben Klasse sassen auch andere später berühmte Fotografen: Thomas Ruff, Axel Hütte oder Thomas Struth.
Fotos mit ungeheurer Wirkkraft
Eine angenehme Zeit sei das gewesen, sagt Candida Höfer im Gespräch. Friedrich Wolfram Heubach vermutet im Katalog zur Ausstellung, diese Fotoschule habe Candida Höfer wohl im Mut bestärkt, «das Bild und seine Wirkung über das Sujet und seine Wirklichkeit zu stellen». Und das trifft das Schaffen der Candida Höfer ganz wunderbar. Denn die sorgfältige Fotografin macht Fotos mit ungeheurer Wirkkraft, die ihre Wurzeln wohl in der Wirklichkeit haben, und doch versuchen, diese Beschränkung als Bilder hinter sich zu lassen.