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Kunst Reizvolle Reizüberflutung – aktuelle Videokunst in Karlsruhe

Bild, Ton und Raum. Faszination, Ekel, Irritation: Auf 3500 Quadratmetern zeigt das Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe Videokunst ab dem Jahr 1996. Und das in einer vorher nicht gesehenen Bandbreite. Kern der Ausstellung ist die Verschmelzung von Bild und Raum.

«Good boy, yes, gooood boy!» ist das erste, das einem entgegenschallt, wenn man die Ausstellung «High Performance» im Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe betritt. Eine anspornende Stimme dringt aus einem Lautsprecher an der Decke, in dem dazugehörigen Video sieht man einen Hund.

Es ist ein Farbvideo von Aaron Young und zeigt einen braunen Kampfhund, verbissen in ein Seil zappelt er in der Mitte des Bildes, eine Männerstimme spricht ihm zu, richtet ihn ab. Die Szenerie hat etwas Beängstigendes, etwas Trauriges und gleichzeitig Lustiges: Lustig, weil der Hund am Seil hängend fast Kunststücke vollführt. Traurig, weil klar ist, dass er sich im Wahn abstrampelt.

Gesammelte Videokunst seit 1996

Hinweis zur Ausstellung

Diese Stimmung vermittelt die Ausstellung über Videokunst seit 1996 an vielen Stellen. Sie schwankt zwischen Faszination und Ekel, zwischen Unterhaltung und Irritation. Denn die Auswahl, die das ZKM im gesamten Erdgeschoss zeigt, ist riesig. Die 50 Werke aus der Julia Stoschek Collection breiten sich dicht aufeinander folgend auf gut 3500 Quadratmetern aus. Manche Werke gefallen, manche stossen ab.

Julia Stoschek ist eine vermögende Düsseldorfer Sammlerin, die innert kürzester Zeit eine der wichtigsten Privatsammlungen im Bereich der Medienkunst aufgebaut hat. Zusammen mit Bernhard Serexhe, dem Hauptkurator des ZKM, hat sie die Auswahl getroffen, und die Werke neben- und miteinander arrangiert.

Rasante Entwicklungen in den letzten Jahren

Medienkunst und Videokunst ist aus der zeitgenössischen Kunst nicht mehr wegzudenken. Das war nicht immer so. Entstanden in der 1960er-Jahren, fristete sie in den 1970er- und 1980er-Jahren ein Nischendasein. Videokünstlern schlug ein Unverständnis entgegen, an dem viele existentiell zerbrachen. Seit den 1990er-Jahren hat sich die Videokunst an die Bildsprache Hollywoods angepasst, die Produktions- und Postproduktionskosten steigen; es braucht immer mehr Inszenierung, mehr Raum, mehr Material.

Fruchtbare Ehe zwischen Bild und Raum

Videokunst heute, das ist eben nicht einfach eine Kassette oder eine DVD mit einem Film drauf. Videokunst verbindet Bild, Ton, Installation und Raum miteinander. So blickt der Besucher in der Ausstellung im ZKM in lange Gänge aus Holz, klettert auf weisse Hochsitze, um seinen Kopf durch ein schmales Loch zu stecken, und sich so einen Film anzusehen. Er setzt sich auf ein rundes Sofa, das in der Mitte von vier Leinwänden steht, und betritt dunkle Räume, in denen ihn Klangwelten umhüllen.

Diese Vermählung von Raum und Bild ist der Kern der Ausstellung im ZKM. Die zu grossen Teilen recht jungen Videokünstler zeigen Performances, erzählen Geschichten oder zelebrieren die totale Überinszenierung, indem sie sich an der Bildsprache moderner Massenmedien orientieren. Am radikalsten passiert das in einer dreiteiligen Mixed-Media-Installation von Ryan Trecartin aus dem Jahr 2009. Darin geben überschminkte Menschen beinahe unverständliche Kurzmitteilungskürzel und Floskeln von sich.

Lange hält man das nicht aus, das Gekeife, Gekreische und Gepose. Schnell biegt man um die Ecke, in eine neue, eine andere Bildwelt. Und schon ist man wieder drin: im angenehmen, schmerzenden Strudel zwischen Überforderung und Faszination.

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