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Kunst René Groeblis fotografische Liebeserklärung an seine Frau

Der Fotoband «Im Auge der Liebe» machte den Zürcher Fotografen René Groebli weltberühmt. In den 1950er-Jahren galten die Fotos seiner Frau als pornografisch. Heute sieht man sie als fotografische Liebesgedichte, und hat sie neu aufgelegt.

Eine Fotoserie über den Charme der heruntergekommenen Hotelzimmer von Paris sollte es werden. Mit dieser Idee reiste der Zürcher Fotograf René Groebli in den 1950er-Jahren in die französische Hauptstadt, begleitet von seiner Frau Rita.

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René Groebli: «Das Auge der Liebe». Sturm & Drang, 2014

Statt Tapeten und Hotelmobiliar abzulichten, richtete René Groebli den Sucher seiner Kamera bald auf seine frisch angetraute Frau Rita. Dabei gelang ihm eine aufsehenerregende Serie.

«Madame sollte das nie wieder tun!»

«Ist ja klar, dass ich das Interesse am Hotel-Interieur schnell verlor, als ich sah, wie sich meine Frau fürs Abendessen umzog und sich schminkte», erinnert sich René Groebli zwinkernd auf einem Spaziergang durchs Montparnasse-Quartier in Paris.

1954 brachte Groebli die dabei entstandenen Aufnahmen als Fotoband heraus, mit dem Titel: «Im Auge der Liebe». Die Bilder gaben zu reden, und dies lange vor ihrer Publikation.

«Als wir am Morgen in die Hotel-Halle kamen, raunte uns die Dame von der Rezeption im Vorbeigehen zu: ‹Madame sollte das nie wieder tun›», erzählt René Groebli schmunzelnd. «‹Was denn?›, fragten wir ganz naiv. ‹Nackt vor dem Fenster auf und ab zu gehen›, tadelte sie uns», lacht Groebli. «Offenbar hatte uns jemand vom Haus gegenüber beobachtet.» Doch nicht nur im Hotel gaben die Aufnahmen zu reden. In der Schweiz wurden die Aufnahmen in den 1950er-Jahren als «Pornografie» verschrien.

Kein Erfolg im «rückständigen Europa»

Fotohistoriker und -publizist Urs Tillmanns schreibt dazu im Fachmagazin fotointern.ch: «Wir hatten die Gedankenwelt und die Bilder von René Groebli damals noch nicht verstanden. Die Bilder waren ja nicht einmal scharf! Und sie entblössten Rita in einer Art und Weise, die von der Gesellschaft vor 60 Jahren nicht gebilligt wurde.»

Der Fotoband verkaufte sich in Europa mehr schlecht als recht. In Amerika stiess er jedoch auf Anklang, weiss Fotohistoriker Tillmanns: «Edward Steichen, 1953 Direktor des Museum of Modern Art, erkannte deren Bedeutung und die Ausdrucksweise von René Groebli und kaufte die Bildreihe für seine Sammlung – abgesehen davon, dass sich das Büchlein im modernen Amerika auch deutlich besser verkaufte als im rückständigen Europa.»

Freude und Trauer über die Neuauflage der Fotos

Jetzt wird «Im Auge der Liebe» vom Verlag Sturm & Drang neu aufgelegt. «Das freut mich und macht mich zugleich traurig», sagt René Groebli. «Traurig, weil meine Frau Rita nicht mehr da ist.» Seine «Muse» ist vor eineinhalb Jahren gestorben.

«Wir haben gemeinsam für die Fotografie gelebt und uns gegenseitig inspiriert.» Der Fotoband ist der Beweis dafür. Die Idee, eine Foto-Serie über Pariser Hotelzimmer zu machen, stammte von Rita Groebli. Entstanden ist dann allerdings eine fotografische Liebeserklärung ihres Mannes an sie in Schwarz-Weiss.

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