Vergammelte Melonen, weisspelzige Tomaten, Orangen mit Schimmel in Komplementärfarben: Die erstaunlichen Fotografien des Wieners Klaus Pichler wirken wie eine Mischung aus Vanitas-Stillleben alter Meister und heutiger Hochglanz-Produktfotografie. Lebensmittel, die nicht mehr geniessbar sind, zeigt er im Prozess von Zerfall und Zersetzung. Seine Foto-Serie «One Third» überschreitet ganz bewusst die Haltbarkeitsgrenze, um die gewaltige Dimension der globalen Lebensmittelverschwendung zu veranschaulichen.
Ein Drittel aller Lebensmittel fliegt in die Tonne
Die Idee zur Serie kam Pichler spontan, als er von einer UNO-Studie las, die 2011 das Ausmass der Verschwendung deutlich machte: Weltweit geht im Durchschnitt ein Drittel der gesamten Lebensmittelproduktion verloren. 1,3 Milliarden Tonnen Nahrungsmittel werden weggeworfen, während es im globalen Süden immer wieder zu schweren Hungerkrisen kommt.
In den weniger entwickelten Ländern sind Mängel bei Ernte, Lagerung und Kühlung für die Verluste verantwortlich. In den reichen Ländern Europas und Nordamerikas trägt die Einkaufspolitik der Grossverteiler ihren Anteil bei. Vor allem aber ist es das individuelle Konsumentenverhalten, das den Löwenanteil des Müllbergs ausmacht: Ein Berg an Lebensmitteln, die eigentlich geniessbar sind. Vielleicht ist das Haltbarkeitsdatum abgelaufen, vielleicht hat man einfach keine Lust, sie zu essen, vielleicht hat man sie im Kühlschrank vergammeln lassen. Denn der wird immer mehr zum Vorzimmer des Mülleimers.
Verrottung als Teil eines künstlerischen Prozesses
Für seine Serie war es Klaus Pichler wichtig, den Zusammenhang zum Privathaushalt sichtbar zu machen. Oft zeigen die Medien Berge weggeworfener Nahrungsmittel, in denen man sich als Konsument schwer wiederfinde. Daher hat Pichler seine Fotoserie mit haushaltsüblichen Mengen inszeniert. Der Ansatz dabei ist provokant: der 35jährige Fotograf sucht Gemüse, Obst und Milchprodukte sorgfältig aus, um sie dann verderben zu lassen. Seine Ausgangspostion beschreibt er als ganz naiv:
Essen hat politische Dimensionen
Die vergammelten Objekte präsentiert er in edlem Porzellan, mit goldenem Besteck oder im vornehmen Ambiente heutiger Luxusgastronomie. Eine Anspielung darauf, dass das «Drumherum» der Esskultur – die Inszenierung des Genusses – mittlerweile wichtiger ist als das Nahrungsmittel selbst. Den alltäglichen Akt des Essens möchte Pichler als politisch begreifen: «Jede Entscheidung für ein bestimmtes Nahrungsmittel und die Art, dieses zuzubereiten, ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung.»
Seine irritierenden Fotos kombiniert Klaus Pichler daher mit Daten der dargestellten Objekte, die neben geografischen auch ökologische Werte beinhalten und dadurch Auskunft über die Produktionsweise geben.
Pichler gelingt es mit seiner Serie hoch ästhetisierter Ekelbilder, das Essen als schauriges Politikum zu zelebrieren. Seine vergammelten Früchte könnte man auch als Metapher unserer moralischen Verkommenheit lesen.