Kunst - Skurril: Ein Museum für Street-Art in einer Informatik-Hochschule
Vor kurzem wurde in Paris das erste Street-Art-Museum eröffnet. Ausgerechnet in einer Stadt, die ein riesiges Freilicht-Museum für Street-Art ist, soll Strassenkunst nun drinnen gezeigt werden. Was absurd scheint, ist stimmig. Zu Besuch in einem Museum, das keines sein will.
Nach Amsterdam und Sankt Petersburg gibt es mit «Art 42» in Paris das dritte Street-Art-Museum weltweit.
150 Werke von 50 Künstlern sind auf 4000 Quadratmetern ausgestellt: ein Who-is-Who der internationalen, vor allem aber der französischen Urban Art.
Alle Werke sind eine Leihgabe des Privatsammlers Nicolas Laugero Lasserre, dem Begründer des Mobilfunkanbieters Free.
Ein Who is Who der Street-Art
Fünf Tage die Woche schaut hier kaum jemand auf zur Kunst. Da stieren Informatik-Studenten auf Bildschirme.
Dienstags und samstags aber drücken sich Besucher an Rechnern und Studenten vorbei und blicken auf 150 Kunstwerke: Auf Banksys, Futura 2000s oder Obeys, die neben dem Aufzug, im Treppenaufgang oder über den Computern hängen.
Ein unkonventionelles Museum
Was auf den ersten Blick ein verqueres Gesamtbild ergibt, ist stimmig – besonders in Hinblick auf das Konzept:
«Um hier Informatik zu studieren, braucht man kein Diplom. Das ist eine unkonventionelle Schule und jetzt auch ein Museum für unkonventionelle Kunst», sagt Kuratorin Alissa Phommahaxay.
«Gratis, die DNA der Street-Art»
Alle ausgestellten Werke gehören Nicolas Laugero Lasserre, dem Gründer des Mobilfunkanbieters Free. «For free» stellt er seit dem 1. Oktober der «Ecole 42» auf 4000 Quadratmetern seine private Sammlung aus. «Denn gratis, das ist die DNA der Street-Art.»
Zur DNA der Street-Art gehört auch – zumindest in ihrer ursprünglichen Form – die Aura der Strasse. Diese ist im Museum nur zu erahnen: Steht man vor einem besprühten Kondom-Automaten des New Yorker Künstlers C215, einem bemalten, abgerissenen und wieder aufgestellten Lattenzaun von Jef Aérosol oder einem von Banksy beklebten Strassenschild.
Respekt auf der Strasse verkauft sich gut
Die meisten Werke sind Atelier-Arbeiten. Künstler wie Futura 2000, Shephard Fairey oder Blu haben Leinwände, Plakate oder Collagen eigens zum Verkauf gemalt oder gesprüht; für Galerien und Sammler.
Ist das noch Street-Art? «Ja», sagt Kuratorin Alissa Phommahaxay. «Alle Künstler arbeiten auf der Strasse und im Atelier. Beides macht ihr Werk aus. Zumal: Nur wer auf der Strasse Respekt bekommt, der wird von Galerien und Sammlern hoch gehandelt – und schafft es ins Museum.»
Das Museum zeigt: Die Atelier-Arbeiten haben einen eigenen Reiz: Sie sind nicht unter Zeitdruck entstanden, sind häufig komplexer und ausgefeilter als die Energebnisse auf der Strasse.
Museum als Ort der Dokumentation
Die Preise für Street-Art schiessen in die Höhe, die Diskussion, ob der Verkauf an Galerien ein Ausverkauf der Kunstbewegung ist, ist beinahe 40 Jahre alt. Trotzdem ist Street-Art in der Kunstwelt bis heute nicht hoch angesehen. Nach Amsterdam und Sankt Petersburg ist Paris erst die dritte Stadt mit einem Museum für Urban Art.
Ob es höchste Zeit ist für Street-Art-Museen oder (zu) früh für diese relativ junge Kunstform, mag Street-Art-Expertin und Galeristin Magda Danysz nicht beurteilen. Gut findet sie es auf jeden Fall: «Ein Museum trägt zum Ansehen der Street-Art bei. Ausserdem geht es dabei darum zu dokumentieren, zu analysieren und forschen zu können.»
Street-Art kann vieles sein
Art 42 in Paris
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Das Museum Art 42 ist dienstags von 19 Uhr bis 21 Uhr und samstags von 11 Uhr bis 15 Uhr geöffnet. Studenten bieten kostenlose Führungen an.
Dass dafür auch Kunstwerke konserviert werden, die darauf angelegt sind, vergänglich zu sein – zu verwaschen oder übermalt zu werden – schade dem Ansehen der Kunst nicht. Es liege bei jedem Künstler zu entscheiden, ob die eigenen Werke ausgestellt werden dürfen.
«Art 42» in Paris ist kein richtiges Museum und will das auch nicht sein. Die Wirkung von Werken auf der Strasse kann es nicht zeigen und will das auch nicht. Was das Museum will, ist Augen öffnen und das kann es: Dafür, dass aus der ursprünglichen Strassenkunst unterschiedliche Formen entstehen und dafür, dass Street-Art auch ohne den Reiz des Monumentalen grossartig sein kann.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 11.10.2016, 17.15 Uhr.
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