Das Schöne und das Hässliche ziehen sich gegenseitig an. Denn das Schöne braucht das Hässliche, um zu strahlen. So ist es auch im aussergewöhnlichen Fotoband «Land ohne festen Boden» von Rena Effendi. Schmetterlinge, in allen Regenbogenfarben leuchtend, sind neben Fotografien gesetzt, die einem übel werden lassen: Abfallhalden, Bauschutt und verseuchte Gewässer, die mit einem schillernden Ölfilm bedeckt sind.
Mensch und Natur sind gleichermassen bedroht
Die Bilder stammen aus Aserbaidschan, eine der am schlimmsten verschmutzten Gegenden der Welt. In und um die Hauptstadt Baku atmet der Boden Erdöldämpfe aus. Der Ölboom hat das Ökosystem am Kaspischen Meer an den Rand des Kollapses gebracht. Einige der Schmetterlingsarten auf den Bildern sind bereits ausgestorben. Es war der Vater der aserbaidschanischen Fotokünstlerin Rena Effendi, der sie als Zoologe ein Leben lang sammelte und auch fotografierte.
Aber nicht nur die Schmetterlinge sind eine bedrohte Spezies. Auch der Mensch ist es, so die Botschaft dieses Bandes. Die Frauen, Kinder und Männer auf den Bildern von Rena Effendi sind Flüchtlinge, sie sind arbeitslos oder ruinieren ihre Gesundheit für geringen Lohn. Dennoch putzen sie sich heraus, hüllen sich in bunte Schleier oder das Fussball-Tricot des Lieblingsvereins – prächtig wie Schmetterlinge und nicht minder zerbrechlich, schicksalsergeben und flüchtig.
Schönheit und Elend im Dialog
Rena Effendi legte 2009 ihren vielbeachteten Erstling vor: «Pipe Dreams», eine Abrechnung mit der Erdölindustrie in ihrer Heimat. Mit «Land ohne festen Boden» legt sie jetzt ein ebenso faszinierendes Werk nach.
Dreck und Elend, Schönheit und Glanz treten darin in einen spannungsvollen Dialog. Exzellent zueinander gesetzte Bilder machen den kleinformatigen Band im Stil eines Familienalbums mit Goldprägung zu einem bibliophilen Schmuckstück.