Anfang des 19. Jahrhunderts: Nachdem der junge Bundesstaat mit seiner Armee gerade mal ein paar Jahre existierte, legte man in Thun den Grundstein für den grössten Waffenplatz der Schweiz.
Mit gutem Grund: Thun liegt mitten in der Schweiz und ist umgeben von einem flachen, festen Gelände, das sich besonders gut für militärische Übungen eignet.
Leistungsfähigkeit des Staates zeigen
1864 begann der Bau der ersten grossen Mannschaftskaserne, erzählt Architekturhistoriker Siegfried Moeri, einer der beiden Autoren des neuen Kunstführers der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK: «Da bot sich natürlich eine Chance zur Repräsentation, eine Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit des neuen Staates darzustellen.» Man wollte eine Kaserne schaffen, die Aufmerksamkeit erregt.
Das Militärdepartement wünschte eine «Loggien-Kaserne». Eine Kaserne, bei der sich über die Seitenflügel Loggien statt Fenster ziehen. Eine Art Laubengänge, über die die Schlafräume erschlossen werden.
Südliches Bauprinzip
Weil sie viel Schatten spenden, sind Loggien ursprünglich ein südliches Bauprinzip. Auch Loggien-Kasernen kennt man vor allem aus den Süden: «Es gibt diesen Typus in Südeuropa, Spanien und natürlich in Nordafrika, in all den ehemaligen europäischen Kolonialstaaten. Aber wir haben in der Schweiz kein zweites Beispiel einer Loggien-Kaserne», so Siegfried Moeri.
In der Schweiz fürchtete man, der Winter würde Schnee in die Loggien bringen, wo die Soldaten sich auch verpflegten und ihr Material sortierten. Insbesondere der Oberfeldarzt soll der Bauweise gegenüber kritisch gewesen sein, sagt Siegfried Moeri. Er habe vor den möglichen gesundheitlichen Folgen gewarnt. Entgegen aller Kritik hielt die Bauherrschaft jedoch an ihrem Plan fest.
Hygienische Standards
Gesundheit und Hygiene der Soldaten waren dennoch ein wichtiger Punkt beim Bau der Thuner Kaserne, in der bis zu 1000 Mann untergebracht werden sollten. Die Toiletten wurden in dem Gebäude vorgelagerten Türmen untergebracht, damit der Gestank nicht in den Hauptbau drang.
Und die Badeanlage wurde bereits nach rund 20 Jahren dem neusten hygienischen Standard angepasst: Ursprünglich habe es nur zwei Riesen-Badewannen gegeben, in denen 30 oder 40 Mann gleichzeitig baden konnten oder mussten. «Das funktionierte nicht wirklich. Angeregt durch ausländische Armeen richtete man grosse Duschräume ein. Das war ein Novum in der Schweiz.»
Das ist nur eine der vielen Sanierungsmassnahmen, die die Mannschaftskaserne in Thun in ihrer über 150-jährigen Geschichte erfuhr. Zum Jubiläum wurde sie kürzlich gesamtsaniert. Sie dient heute noch ihrem ursprünglichen Zweck. Und mit dem Kunstführer der
GSK gilt sie nun auch als Sehenswürdigkeit der Schweiz und gehört zum Kulturerbe des Landes.