Das sehnsuchtsvolle Herz der Ausstellung schlägt im Untergeschoss, im Beat der 1960er- und 1970er-Jahre. Es erzählt von einer Zeit, als London noch «swinging» war, das Leben ein Fest und die Zukunft ein Versprechen. Oder war sie das auch damals schon nicht?
Trotz der Musik, die aus den Boxen wummert: Über dem Tanzsaal, den Marc Camille Chaimowicz im Untergeschoss der Kunsthalle Bern eingerichtet hat, schwebt ein Hauch von Melancholie.
Discokugeln streuen farbige Lichter an die dunklen Wände. Hier und da liegt eine einsame silberne Sandale, eine Plattenhülle, eine Luftschlange. Glitter und Pailletten schillern etwas verloren vor sich hin, denn: Es ist eine verlassene Party. Ein Fest ohne Gäste. Eine Feier, die nur als Idee stattfindet.
Zwischen Kunst und Deko
Marc Camille Chaimowicz erzeugt Räume und füllt sie mit Möglichkeiten. Ende der 1960er-Jahre begann der heute 73-jährige polnisch-französische Künstler als einer der ersten in Europa mit Installationen zu arbeiten.
Auch in der Kunsthalle Bern balanciert seine Kunst leichtfüssig auf der Grenze zwischen Kunstinstallation und Raumdekoration – wie eine Tänzerin, die sich nicht festhalten lässt.
In der Eingangshalle hat Chaimowicz den breiten Durchgang zum grossen Saal mit einer Wand verschlossen – und einen rautenförmigen Durchblick hineingeschnitten. Eine Art überdimensioniertes Schlüsselloch, durch das man einfach gucken muss. Was denn auch sonst?
Dahinter sieht man von Chaimowicz geschaffene Tapeten und Stoffe mit Kringeln und Kreisen, Blüten und Bourbonenlilien in blassem Pistazieneisgrün und zartem Rosé. Chaimowicz mag Farben, die elegant wirken und ein wenig müde, wie ein Seufzer an einem langen Regennachmittag.
Sieben Säle, sieben Kapitel
Die Ausstellung zeigt Arbeiten, die bereits bestehen, die aber auf die Räume der Kunsthalle angepasst wurden. Sie umfasst sieben Räume. Sieben Kapitel, die sich auf einen Ort beziehen oder auf literarische Werke.
Bei Chaimowicz gehe es oft um fiktive Einrichtungen, die man auch als Porträts verstehen könne, sagt Valerie Knoll, die Direktorin der Kunsthalle Bern. Möbel, Farben, kleine Accessoires skizzieren eine abwesende Person, die man sich inmitten all dieser Dinge aber vorstellen kann.
Poetische Lebensenergie
Ein Saal ist zum Beispiel Emma Bovary gewidmet, der Protagonistin in Gustave Flauberts gleichnamigem Roman. Sie versucht im provinziellen Frankreich des 19. Jahrhunderts ihre hochfliegenden Lebensträume umzusetzen und zerbricht daran.
Chaimowicz widmet der Unglüklichen unter anderem eine Vitrine die Handschuhe enthält, Briefe, getrocknete Blumen – symbolhaften Flitter, der von Emmas Bemühen erzählt, das Leben poetisch aufzuladen.
Was Emma Bovary nicht gelingt, gelingt Chaimowicz perfekt: Für die Dauer eines Ausstellungsrundgangs zumindest ermöglicht er ein Lustwandeln in einer Welt aus Schönheit und freundlich-klugen Ideen.