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Kunstschätze in Kirchen Kunst in Italien: Vergessen, vermisst, verschwunden

Italien besitzt zu viele Kulturgüter. Kein Wunder, dass einiges einfach vergessen wird – auch zur Freude von Kunstdieben.

Rund 70 Prozent des Weltkulturguts befinden sich laut der Unesco in Italien. Das Problem dabei: Die verantwortlichen Institutionen können sich nicht um all diese Kunst gleich gut kümmern. Das hat Folgen, die immer wieder für Aufsehen sorgen.

Vor kurzem wurde bekannt, dass in den Kellergewölben des Maschio Angioino, einer Burg mitten in Neapel, rund 400 Kunstwerke wiedergefunden wurden: zahlreiche Gemälde, darunter eine Madonna des berühmten Barockmalers Luca Giordano, aber auch Skulpturen und antiquarische Möbel.

Hauptstadt vergessener Kunst

Nach dem schweren Erdbeben im süditalienischen Irpinia 1980 waren diese Objekte aus Ruinen gerettet und in den Magazinen verschiedener Museen in Sicherheit gebracht worden – auch in der Burg Maschio Angioino. Dort wurden sie dann schlichtweg vergessen.

Diese vergessene Kunst muss jetzt aufwändig restauriert werden. Denn die Burg steht direkt am Hafen – die feuchten Kellergewölbe haben vor allem den Möbeln und Gemälden zugesetzt. Glück im Unglück: Begeistert vom Fund, stellte die Stadtverwaltung postwendend die nötigen Finanzmittel dafür zur Verfügung. Nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten soll die Sammlung ausgestellt werden.

Das Geld fehlt

Doch das Geld fliesst nicht immer so selbstverständlich: Schätzungsweise 200 Kirchen im historischen Zentrum Neapels sind seit vielen Jahren geschlossen. Die Diözese und die Stadt verfügen nicht über die nötigen Finanzmittel, um sämtliche bedeutenden Gotteshäuser instand zu halten und mit Wachpersonal oder Alarmanlagen auszustatten.

Innenraum einer prunkvollen Kirche
Legende: Nicht alle Kirchen von Neapel sind offen – und entsprechend bewacht – wie die Basilica di San Domenico Maggiore im Zentrum der Stadt. Getty Images / DEA / A. DAGLI ORTI

Vorsicht, Langfinger!

Die Folge: Diese geschlossenen Kirchen sind zu einem «gefundenen Fressen für Kunstdiebe geworden», so der Kunsthistoriker und ehemalige Vize-Kulturminister Vittorio Sgarbi. In Neapel finden sich verschiedene Kirchen, in denen alles was nicht niet- und nagelfest ist gestohlen wurde.

Nicht nur Gemälde und Kerzenleuchter, sondern auch kunstvoll aus mehrfarbigem Marmor gestaltete Balustraden wurden auseinandergesägt und weggeschafft. Experten wie Sgarbi gehen davon aus, dass diese Raubkunst auf dem in- und ausländischen Kunstmarkt verkauft wird.

Polizisten stehen um einen Tisch, auf dem ein Heiligenbild von Jesus sowie eine Statue eines goldenen Engels steht.
Legende: 2018 nach einem Diebstahl aufgetaucht: Ein Jesus-Kunstwerk von Pietro Gagliardi (gestohlen aus der Kirche Santa Maria in Vallicella, Rom) sowie eine Putten-Kandelaber (gestohlen in der Kirche Santa Maria in Aquiro, Rom). Getty Images / Stefano Montesi – Corbis

Gemeinsam gegen Diebstahl

Neapolitanische Bürgerinitiativen wie etwa das «Comitato civico Portosalvo» kümmern sich seit Jahren um die geschlossenen Kirchen. Wann immer es ihnen gelingt, die Verantwortlichen von ihrer Arbeit zu überzeugen, kontrollieren sie Kirchen und katalogisieren Kunstwerke, die noch nicht gestohlen wurden. Nur so besteht die Möglichkeit, sie im Fall eines Diebstahls auf dem Kunstmarkt wiederzufinden.

Diese Bürgerinitiativen aber auch viele Kunsthistoriker fordern eine Gesamtbestandsaufnahme aller Kunstwerke, die sich in Neapels Palästen und Kirchen befinden. Eine Herkulesaufgabe, die bisher immer an der Finanzierung und Logistik eines solchen umfangreichen Projekts scheiterte.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 5.5.2021, 8:06 Uhr

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