Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer Museen müssen künftig genauer schauen, woher die Werke ihrer Sammlung wirklich stammen.
- In den Kellern hiesiger Museen liegen noch viele Werke, deren Herkunft nicht endgültig geklärt ist.
- Für eine gründliche Herkunftsforschung brauchen die Museen zusätzliche finanzielle Unterstützung.
Die Gurlitt-Sammlung ist in aller Munde. Seit dem 15.12.2016 wissen wir: Das Kunstmuseum Bern kann das umstrittene Erbe antreten. Nun ist Gurlitt längst mehr als nur das Schlagwort für einen Erbschaftsstreit. Der Name Gurlitt steht für eine ganz neue Aufmerksamkeit gegenüber NS-Raubkunst oder Provenienzforschung.
Der Vizedirektor der Dachstiftung des Kunstmuseums Bern und des Zentrums Paul Klee hat die Affäre gezwungenermassen von ganz nah verfolgt. Ellinor Landmann hat mit ihm, Marcel Brülhart, einen Schritt zurück gemacht und aus der Distanz auf die Affäre Gurlitt geblickt.
SRF: Was hat sich durch Gurlitt in der Schweiz verändert?
Marcel Brülhart: Für den Kunsthandel in diesem Bereich ist schon lange ein Umdenken im Gange. Man muss draufschauen, woher eigentlich ein Werk kommt, das man verkauft. Der Fall Gurlitt wird diese Entwicklung noch beschleunigen, dass ohne gesicherte Provenienz zumindest auf offiziellen Wegen, Werke nicht mehr gehandelt werden können.
Was hat sich durch Gurlitt für die Museen verändert?
Man hat auch in der Schweiz das Problem, dass in den Kellern der Museen zum Teil doch eine beträchtliche Anzahl von Werken liegt, bei denen die Provenienzen zwar einmal ausgewiesen waren. Aber auf Grund neuer Erkenntnisse merkt man relativ rasch, dass die gar nicht mehr stimmen können. Das bedeutet, dass es einen recht grossen Aufarbeitungsbedarf auch für Schweizer Museen gibt.
Es gibt einen recht grossen Aufarbeitungsbedarf auch für Schweizer Museen.
Sind die Schweizer Museen gut unterwegs in Sachen Provenienzforschung?
Man hat einen guten Anfang gemacht. Es wurde ein Arbeitskreis unter den Museen eingesetzt, in dem man einerseits versucht, sich auf Standards zu einigen, wie man das beforscht. Wichtig ist auch die Transparenzfrage: Wann zeigt man Ergebnisse, ohne gleich Opfer von Klägern oder Schatzgräberanwälten zu werden, die es leider immer mehr gibt auf dieser Welt. Dort ist sicherlich ein guter Anfang gemacht. Das Problem ist immer dasselbe: Den Museen fehlt es an Geld, sie sind nicht überfinanziert.
Wann zeigt man Ergebnisse, ohne gleich Opfer von Klägern oder Schatzgräberanwälten zu werden?
Der Bund hat jetzt auch – nach anfänglichem Zögern – Geld gesprochen, was wir alle sehr positiv finden. Ich glaube, man kann jetzt wirklich sagen, es ist ein Umdenken im Gange. Jetzt muss es einfach vorwärts gehen. Es müssen auch Resultate gezeigt werden können.
Finden Sie denn als Jurist, dass eine mögliche Massnahme in der Schweiz auch sein könnte, dass man sagt: Wir regeln das gesetzlich, dass NS-Raubkunst zurückgegeben werden muss.
Verwandte Artikel
Die grossen Museen haben die Washingtoner Erklärung anerkannt, eine rechtlich nicht bindende Übereinkunft zum Umgang mit NS-Raubkunst. Und die genügt eigentlich. Die Frage ist nur, wie man die auslegt. Wenn man zu hohe Beweisanforderungen stellt, was im Moment zumindest die herrschende Meinung in der Schweiz ist, dann führt das in Fällen, wo das entsprechende Ereignis viel zu lange zurück liegt, nicht mehr zu guten Ergebnissen. Dort müsste man aus meiner Sicht eher in Richtung einer Auslegung gehen, wie sie zum Beispiel in Deutschland herrscht.
Das heisst, als Erbin habe ich in der Schweiz wenig Chancen, ein Bild zurückzuerhalten?
Die Anforderungen sind einfach sehr hoch. Wie das generell in unseren Rechtsordnungen der Fall ist, was auch korrekt ist, das bringt auch Rechtssicherheit. In diesem ganz speziellen Fall müsste man, ähnlich wie das jetzt in Deutschland gehandhabt wird, die Anforderungen ein bisschen herabsetzen.
Das Gespräch führte: Ellinor Landmann
Sendung: Kultur kompakt, 16.12.2016, 7.06 Uhr, Radio SRF2 Kultur