Die Türe in der Seitenmauer der Bahnhofshalle in Vevey wäre unscheinbar, wäre sie nicht in knalligen Bonbonfarben angemalt. «L’Appartement» steht darüber.
Dahinter gleich eine Überraschung. «L’Appartement – Espace Images Vevey» sind tatsächlich zwei zusammengeführte ehemalige Wohnungen von SBB-Angestellten im Obergeschoss des Bahnhofs. Leiter Stefano Stoll und sein Team konnten sie umnutzen für einen Kunstraum.
Das Ausstellungskonzept folgt der Grundstruktur der Wohnungen. Es gibt drei Zimmer für eine Hauptausstellung, dann einen Salon, wo jeweils ein Fotobuch im Zentrum steht. Ein weiteres Zimmer ist für eine Videoarbeit reserviert.
Der Gang gehört den Kindern. Auf ihrer Augenhöhe hängen kindertaugliche Fotoarbeiten.
Die Ausstellungen im «L’Appartement» sollen jeweils sechs bis acht Wochen dauern. So viele Ausstellungen – ist das nicht etwas viel? Leiter Stefano Stoll relativiert: «Junge Fotografinnen und Fotografen haben es schwer, ihre Arbeiten in der Schweiz auszustellen. Ich möchte ihnen eine Möglichkeit bieten, ihre Arbeit zu zeigen.»
Einer dieser Schweizer Fotografen ist der Tessiner Nicolas Polli. Der 32-jährige Fotograf und Grafikdesigner untersucht in seiner Fotoarbeit «When Strawberries Will Grow on Trees, I Will Kiss U» sein Leben während des Lockdowns.
Intime Geschichten
In dieser Zeit begann er, die Gegenstände um ihn herum zu erotisieren. Da fotografiert er seine Finger, die er zuvor in Quitten-Gelée getaucht hat. Oder brennende Kerzen, derart verformt, bis sie aussehen wie ineinander verschlungene Figuren.
«When Strawberries Will Grow on Trees, I Will Kiss U» ist eine sehr persönliche Arbeit. Sie habe ihm einiges abverlangt, sagt Nicolas Bolli. Alltagsgegenstände seien zu einem Abbild seines Seelenzustandes geworden.
Solch intime Geschichten über das Zusammenleben sind das Konzept von «L’Appartement». Da passt es, dass die Verantwortlichen die Kunstschaffenden als Mitbewohnerinnen und Mitbewohner bezeichnen.