«Jetzt wird’s wieder rot. Jetzt orange». Der 5-jährige Theo schaut begeistert auf die elipsenförmige Lichtinstallation an der Wand des kleinen Raums im Hinterhof des Zürcher Kinderspitals . Er hat eine Operation und Chemotherapie hinter sich.
Doch hier in diesem Raum, der vom US-Amerikaner James Turrell mit LED-Lämpchen illuminiert wurde, schleicht sich zum ersten Mal ein Lächeln auf sein Gesicht, als er dem wechselnden Farbspiel mit seinen Eltern zuschaut.
Magische Lichtinszenierungen
Einen Raum der Stille wollte Michael Grotzer, frischgebackener Klinikdirektor, für das jetzige Kinderspital. Er wollte nicht warten, bis das neue Kinderspital ausserhalb der Stadt 2022 fertig wird.
Dort wird es einen «Sky Space» von James Turrell geben. Einen Raum, der zum Himmel geöffnet ist, einem Stück vom Himmel einen Rahmen gibt, sodass man das Licht- und Wolkenspiel dort beobachten kann.
Licht ist das Material mit dem James Turrell arbeitet. 1943 in Kalifornien als Sohn einer Quäkerfamilie geboren, interessierte er sich früh für Vorgänge am Himmel und das Licht. «Ich erinnere mich, dass ich als Kind nachts das Licht beobachtet habe. Es hat seltsame Muster produziert und für mich eine eigene Welt erzeugt», erzählt der Künstler in einem Interview. Es gibt Leute, die nennen sein Schaffen Magie.
Es flackert und blendet
Im Museum Frieder Burda in Baden-Baden kann man noch bis Ende Oktober in Lichtinstallationen von James Turrell eintauchen. «The Substance of Light» heisst die Ausstellung, die der Künstler selbst zusammen mit Direktor Henning Schaper kuratiert hat.
Als erstes betritt man den Ganzfeld-Raum «Apani», der 2011 an der Biennale Venedig schon einmal ausgestellt war. Steigt man ein in diesen Farbkosmos, dessen Farben ständig wechseln, mal langsam und mal so schnell, wird einem fast schwindelig, weil es flackert und blendet. So stellt man sich einen Drogentrip vor.
Licht, das betört. Aber auch verstört. «Das Licht, das ich benutze, (…) ist wie das in einem Traum», sagt Turrell. Der Betrachter soll seine Wahrnehmung schärfen, in diesen Räumen, in denen man den Alltag vor der Tür lässt. Die Ausstellung ist ein Erlebnis.
Turrells wahnwitziges Lebensprojekt
In Flagstaff, Arizona baut James Turrell seit mehr als 40 Jahren an seinem Herzensprojekt. Den «Roden Crater», ein erloschener Vulkan mit einem Durchmesser von einem Kilometer, mitten in der Wüste von Arizona: Ein unterirdisches Museum mit vielen Öffnungen zum Himmel, die sich alle nach Sonne- und Mondstand ausrichten, soll es werden.
Bis heute sind laut Auskunft von Turrells Galeristen Wolfgang Häusler 8 von 20 Räumen verbaut. Das Projekt stoppt immer wieder wegen der Witterung. Aber auch wegen der Finanzierung.
Die Kosten liegen bisher im mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Ob Turrell die Fertigstellung seines Mammutprojekts noch erleben wird? 2013 sagt er in einem Interview: «Die Pläne sind da, es könnte auch von jemand anderem fertig gestellt werden. Aber ich möchte es selbst noch sehen.»
Symbiose von Kunst und Landschaft
Um einen Teil der Finanzierung sicherzustellen, verkauft Turrell seine «Sky Spaces» in alle Welt. Einer wird Mitte September im Nobelskiort Lech am Arlberg eröffnet.
Er soll Touristen auch im Sommer anziehen. Die von einem privaten Verein finanzierte Installation sucht damit die Symbiose von Kunst und Landschaft. Der Raum ist in einen Hügel eingegraben, von aussen kaum zu erkennen. Eine Kuppel schliesst den Raum zum Himmel ab. Oder öffnet ihn.
Im Innern wird eine Lichtinstallation die Kuppel in Farben tauchen und so eine ständig wechselnde Lichtstimmung erzeugen. Anfang September reist Turrells Lichtinstallateur nach Lech an, um den Raum zu beleuchten.
Der 75-jährige James Turrell selber erlitt Ende Juni nach dem Medienrummel um seine Ausstellung in Baden-Baden einen Herzinfarkt. Jetzt erholt er sich davon.