Lubaina Himid ist eine Pionierin. Seit 40 Jahren setzt sich die Malerin für den Platz von Künstlerinnen und Künstlern aus der afrikanischen Diaspora ein. Sie hinterfragt den Platz von People of Color in der Kunst generell.
Für ihr Werk und ihren Aktivismus erhielt sie 2017 den renommierten Turner Prize, einen der wichtigsten Kunstpreise in Grossbritannien. Zum ersten Mal ist nun eine grosse Ausstellung zu Lubaina Himids Werk in der Schweiz zu sehen – im Musée cantonal des Beaux-Arts in Lausanne (MCBA).
Unter anderem steht in der Ausstellung eine monumentale Welle aus über 30 Holzlatten. Die in Blau- und Grautönen bemalten Hölzer reichen vom Boden bis an die Wand.
Reichtum durch Sklaverei
Unterschiedlich hoch zeigen sie ein Wellental und ganz zuvorderst, da wo die Holzlatten den Boden berühren, sind Kauri-Muscheln aufgemalt. Auf den ersten Blick eine harmonische Darstellung des Meeres. Erst auf den zweiten Blick öffnen sich in den Meerestiefen neue Themen.
Denn Kauri-Muscheln sind immer auch als Währung verwendet worden. «Hier spreche ich über die Währung, mit der gefangene Afrikaner bezahlt wurden. Über den Reichtum, der mit Sklaven gemacht wurde. Und über die Reisen über den Atlantik mit den riesigen Sklavenschiffen», erklärt die 68-jährige Künstlerin.
Bunte Bilder, düstere Themen
Das Werk mit der Welle – es heisst «Old Boat, New Money» – zeigt beispielhaft auf, wie Lubaina Himids Kunst wirkt. Viele Werke leuchten an der Oberfläche farbenprächtig. Etwa das Bild «Le Rodeur», das eine Szene auf einem Kreuzfahrtschiff zeigt, mit ausschliesslich schwarzen Passagieren an Deck.
Erst wenn man weiss, dass 1819 auf dem französischen Sklavenschiff «Le Rodeur» fast 40 Sklaven ins Meer geworfen wurden, zeigt sich die ganze Dimension des Bildes. Himid greift nur selten auf explizite Darstellungen zurück, um die traumatische Geschichte des Kolonialismus zu zeigen.
In ihrer langen Karriere blieben die Themen der Black Art stets aktuell. Frustriert sie das? In jungen Jahren habe sie erwartet, dass Künstlerinnen und Künstler die Welt schneller verändern könnten, sagt sie.
Thatcher und Reagan als Paar
Das sieht man im Werk «A Fashionable Marriage» aus den 1980er-Jahren. Die Zusammenstellung aus Gemälden und Skulpturen interpretiert ein Hochzeitsbild von William Hogarth aus dem 18. Jahrhundert völlig neu – provozierend, anklagend und mit einer Darstellung von Margareth Thatcher und Ronald Reagan als Liebespaar.
Die Installation stiess bei der Premiere 1986 auch auf Kritik. «Heute im Alter von 68 Jahren weiss ich, dass es Zeit braucht», sagt die Künstlerin. «Mein ganzes Werk ist eine Einladung zum Gespräch.»
Künstlerin und Aktivistin
Lubaina Himid kam als kleines Kind mit der Mutter aus dem früheren britischen Protektorat Sansibar nach England. Am Wimbledon College of Art studierte sie Bühnenbild. Schon früh stellte sie Fragen zum Platz von People of Color in der Kunst. So wurde sie bald zu einer der wichtigsten Kuratorinnen für «Black Art.»
Ist Himid nun eher Künstlerin oder Aktivistin? «Ich bin ohne Zweifel eine Künstlerin. Mir gefällt aber der Gedanke, dass ich mit der Zeit einen kleinen Anteil daran hatte, Diskussionen zu öffnen. Ich bin beides – Künstlerin und Aktivistin. Aber das ist dicht ineinander verwoben.»
Nun treffen die Fragestellungen von Lubaina Himid in Lausanne auf die Besucherinnen und Besucher.