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Mädchen-Maler Balthus in der Fondation Beyeler - War da was?
Aus Kultur kompakt vom 31.08.2018. Bild: SRF / Sébastien Thibault
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Mädchen-Maler Balthus Nichts für Freunde klarer Worte: Fondation Beyeler zeigt Balthus

Wer eine Balthus-Ausstellung macht, sollte sich auf Proteste einstellen. Die Fondation Beyeler traut sich also etwas. Wer wagt, gewinnt? Das ist fraglich.

Fast 12’000 Menschen haben seit November 2017 Mia Merrills Online-Petition unterzeichnet. Sie fordern damit das Metropolitan Museum in New York auf, Balthus’ Gemälde «Thérèse rêvant» (1938) abzuhängen oder besser zu kontextualisieren. Denn die träumende Thérèse hält ihre Augen fest verschlossen und ihre Beine weit gespreizt.

Solche Darstellungen machten Kinder zu Sexobjekten und propagierten Voyeurismus – so die Argumentation der Kritiker im Umfeld der #MeToo-Debatte. Die Petition sagt im Grunde: Bilder seien nicht unschuldig und trügen zu einem gesellschaftlichen Klima bei, das sexuelle Übergriffe toleriert.

Sich ein eigenes Bild machen?

Das Met hielt dagegen. Das Museum zitierte die Freiheit der Kunst, hängte das Bild nicht ab und ergänzte auch nicht das Täfelchen unter dem Bild.

Ellinor Landmann

Ellinor Landmann

Kulturredaktorin

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Ellinor Landmann studierte Kunstgeschichte an der Uni Bern und arbeitet seit 2003 als Kunstkritikerin und Kulturredaktorin für SRF 2 Kultur. Seit 2013 ist sie für den Bereich Kunst verantwortlich.

Derzeit ist «Thérèse rêvant» in der «Balthus»-Ausstellung der Fondation Beyeler in Riehen zu sehen, neben 39 weiteren Werken. Darunter sind Portraits, Landschaften, Strassenszenen, Intérieurs, aber eben auch viele Bildnisse sehr junger, sehr nackter und sehr erotisch inszenierter Mädchen.

Eine Frau betrachtet ein Bild-
Legende: «Thérèse rêvant», 1938 von Balthus in der Fondation Beyeler in Riehen, Basel. Keystone

Es gehe nicht darum, Balthus mit einer Ausstellung zu verteidigen, so Kurator Raphaël Bouvier. Die Besucherinnen und Besucher sollen den Künstler entdecken können und sich ihr eigenes Bild machen. Ganz so einfach ist das aber nicht mit dem eigenen Bild.

Die Bilder werden als Meisterwerke inszeniert

Die Fondation zeigt Balthus’ Bilder nämlich wie Kronjuwelen. Luftig gehängt, vor intensiv farbigen Hintergründen. Die Macht der Inszenierung unterstützt Balthus’ rätselhafte Kompositionen und Porträts und macht sie als Meisterwerke geradezu unangreifbar.

Gemaltes Bild: Strasse mit Menschen
Legende: Balthus, La Rue, 1933. Öl auf Leinwand, 195 x 240 cm. The Museum of Modern Art, New York, Vermächtnis James Thrall Soby. © Balthus Foto: © 2018. Digital image, The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florenz

In den Saaltexten ist etwas gestelzt die Rede davon, dass gewisse von Balthus’ Bildern «unterschiedliche Lesarten zulassen». Das ist nichts für Freunde klarer Worte. Kurator Raphaël Bouvier hält auf Rückfrage fest, man habe sich bewusst gegen explizite Warnhinweise in den Sälen mit den Mädchenbildern entschieden, um eben nicht eine Wahrnehmungsweise vorzugeben.

Unterschiedliche Lesarten

Tatsächlich ist das intensiv diskutierte Bildnis der Thérèse nicht eindeutig. Man kann darin durchaus eine sehr selbstbewusste, junge Frau entdecken, die mit der Macht ihrer Sexualität spielt und gerade durch diesen Tabubruch Betrachter provoziert.

Ausschnitte aus einem Bild: Ein Mädchen sitzt mit angezogenem nacktem Knie auf einem Stuhl.
Legende: Balthus, Thérèse, 1938. Öl auf Karton auf Holz, 100.3 x 81.3 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York, Vermächtnis Mr. und Mrs. Allan D. Emil, zu Ehren von William S. Lieberman, 1987 © Balthus, Foto: The Metropolitan Museum of Art/Art Resource/Scala, Florenz

Andererseits: Thérèse Blanchard hat nicht selbst entschieden, sich so zu präsentieren. Balthus inszenierte sie so und er nutzte die Skandale, die seine Bilder erzeugten, karrierefördernd.

Die Debatte wird bei Beyeler nicht explizit thematisiert

Die Diskussion um «Thérèse rèvant» ist längst nicht ausgefochten. Zum Glück sind Balthus’ Bilder jetzt also zu sehen. Die Fondation nimmt ausserdem die Debatte auf: Es gibt Kunstvermittler in den Sälen, die «Ask Me»-Buttons tragen, Kommentarwände, Führungen, ein Roundtable-Gespräch und vieles mehr.

Gemaltes Bild: Ein Junge an einem Tisch, ein Mädchen auf den Knien und vornübergebeugt am Boden.
Legende: Balthus, Les Enfants Blanchard, 1937. Öl auf Leinwand, 125 x 130 cm. Musée national Picasso-Paris, Schenkung der Erben Picassos, 1973/1978. © Balthus Foto: RMN-Grand Palais (Musée national Picasso-Paris) / Mathieu Rabeau

Dass aber Saaltexte und Audioguides die Debatte nicht explizit thematisieren, ist problematisch. Denn das sind die Medien, die Besucherinnen und Besucher bevorzugt nutzen. Und seit wann verunmöglicht Kontextwissen die Bildung einer eigenen Meinung?

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