Sie sind kaum grösser als Postkarten – und doch eröffnen sie Welten. Die 233 barocken Kupferstiche Matthäus Merians versprühen ihren Zauber erst so richtig beim «Ran-Zoomen». Nur wer genau hinsieht, entdeckt neckische Details wie Einhörner, die auf Noahs Arche trippeln, oder Wäscherinnen am Fluss und sich raufende Mannsbilder.
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Bild 1 von 4. Paradies Elefant, Eidechse, Schlange, Löwe, (Adam und Eva natürlich) – und das Einhorn darf auch nicht fehlen. Bildquelle: Verein «Merian global».
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Bild 2 von 4. Die neue Ausstellung des Vereins «Merian Global» will eine Sehschule sein. Bildquelle: Verein «Merian global».
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Bild 3 von 4. Erst bei intensiver Betrachtung treten alle Details der Bilder zutage. Bildquelle: Verein «Merian global».
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Bild 4 von 4. Schauen Sie genau hin: Erkennen Sie alle Tiere, die zu Noahs Arche wandern? Bildquelle: Verein «Merian global».
Bibel-Unterricht mit Unterhaltungsfaktor
Schon der fromme Merian selbst verband «Erbauung» und Bibel-Unterricht mit Unterhaltung. Das betonen Kulturvermittlerin Barbara Piatti und der Sammler Christoph Ramstein.
Ramstein hat die originalen Druckplatten über Jahrzehnte aus der Zerstreuung zusammengekauft: aus Amsterdam, Deutschland, Italien und Übersee. Der Pfarrer und Merian-Nachfahr Christoph Ramstein bleibt fasziniert von der Qualität der «Icones Biblicae». Mit ihnen begründete der Basler Kupferstecher Matthäus Merian der Ältere 1625 sein Druck- und Verlagsgeschäft in Frankfurt.
Matthäus Merian der Ältere lebte im Dreissigjährigen Krieg. Auch das sieht, wer genau hin-zoomt: Die biblischen Krieger tragen Helme, Harnisch und Spiesse wie zu Merians Zeiten.
Merian selbst war gegen Gewalt, erinnert sein Sammler und Nachfahr Christoph Ramstein. Merian habe sogar Anti-Kriegs-Schriften gedruckt in seinem Verlag, unter Pseudonym.
Merians Bibel-Kupferstiche gingen um die Welt
An den Originalschauplätzen der Bibel war Merian nämlich nie. Seine Heimat diente ihm als idyllische Vorlage für biblische Fluss- und Hügellandschaften. So treten Mose, Jesus und biblische Haudegen wie der Löwentöter Simson in Nordwestschweizer Szenerie auf. Und beim ansonsten so enzyklopädischen Merian schauen die Kamele doch eher wie Dinosaurier drein – was sie bei Kindern von heute umso beliebter macht.
Damals, in der Zeit der Konfessionskriege, war Merian verblüffend «ökumenisch», betont der Pfarrer Christoph Ramstein. Sogar katholische und jüdische Abnehmer fanden die Bibel-Illustrationen des reformierten Merian. Kein Geschäft jedoch machte Merians Werkstatt mit den Kopien und unzähligen Adaptionen seiner Bibel-Sujets.
Merians Engel, Tiere und Propheten landeten sogar auf niederländischen Kachelöfen, auf Tabak- und Keksdosen, Bierhumpen und Tellern. Merians Bibel-Comics wurden massenhaft verbreitet, bis nach Mexiko und Russland. Sie prägten bis ins 19. Jahrhundert das Bild im Kopf, das Menschen von der Bibel hatten.
KI Bilder im Merian-Style
Besuchende dürfen hier mit Original-Kupferplatten einen Merian drucken. Oder am Computer mithilfe KI Bilder im Merian-Style generieren. – Das solle Spass machen, aber auch sensibel für die Copyright-Problematik heute.
Im wahrsten Wortsinn kupferte auch Merian selber ab: bei grossen Meistern wie Bruegel und Rembrandt. Die Ausstellung macht den Werdegang beliebter Motive augenfällig, etwa nur beim Turm zu Basel – ähm, Babel natürlich.
Merian-Sammler Christoph Ramstein übergibt seinen analogen Schatz jetzt der Universität Basel: Im digitalen Zeitalter solle weiter daran geforscht werden können. Auch das hat Basler Noblesse und Stil.