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Matthäus Merians Kupferstiche Wo ist das Einhorn? Tauchen Sie ein in biblische Wimmelwelten

Winzig im Format, riesig im Detail: Merians barocke Bibelbilder entfalten ihre Magie erst beim genaueren Hinsehen. Gestochen scharfe Eindrücke aus dem Basler Münster.

Sie sind kaum grösser als Postkarten – und doch eröffnen sie Welten. Die 233 barocken Kupferstiche Matthäus Merians versprühen ihren Zauber erst so richtig beim «Ran-Zoomen». Nur wer genau hinsieht, entdeckt neckische Details wie Einhörner, die auf Noahs Arche trippeln, oder Wäscherinnen am Fluss und sich raufende Mannsbilder.

Bibel-Unterricht mit Unterhaltungsfaktor

Schon der fromme Merian selbst verband «Erbauung» und Bibel-Unterricht mit Unterhaltung. Das betonen Kulturvermittlerin Barbara Piatti und der Sammler Christoph Ramstein.

Ramstein hat die originalen Druckplatten über Jahrzehnte aus der Zerstreuung zusammengekauft: aus Amsterdam, Deutschland, Italien und Übersee. Der Pfarrer und Merian-Nachfahr Christoph Ramstein bleibt fasziniert von der Qualität der «Icones Biblicae». Mit ihnen begründete der Basler Kupferstecher Matthäus Merian der Ältere 1625 sein Druck- und Verlagsgeschäft in Frankfurt.

Wer war Matthäus Merian der Ältere (1593–1650)?

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Historisches Porträt eines Mannes mit Bart.
Legende: Gemeinfrei

Der Basler Kupferstecher und Verleger schuf Landkarten, Städteansichten und Chroniken – 1516 den Basler Stadtplan.

Nur durch sein Werk «Topographia Germaniae» wissen wir, wie Mitteleuropa vor 400 Jahren aussah. Mit Bibelillustrationen startete er 1625 sein Verlagshaus in Frankfurt.

Der reformierte Merian wurde Frühpietist. Er glaubte, alles Bibellesen und Wissen bringe nichts, wenn «nicht der Heilige Geist selbsten inwendigk in der Seelen lehret».

Matthäus Merian der Ältere lebte im Dreissigjährigen Krieg. Auch das sieht, wer genau hin-zoomt: Die biblischen Krieger tragen Helme, Harnisch und Spiesse wie zu Merians Zeiten.

Merian selbst war gegen Gewalt, erinnert sein Sammler und Nachfahr Christoph Ramstein. Merian habe sogar Anti-Kriegs-Schriften gedruckt in seinem Verlag, unter Pseudonym.

Merians Bibel-Kupferstiche gingen um die Welt

An den Originalschauplätzen der Bibel war Merian nämlich nie. Seine Heimat diente ihm als idyllische Vorlage für biblische Fluss- und Hügellandschaften. So treten Mose, Jesus und biblische Haudegen wie der Löwentöter Simson in Nordwestschweizer Szenerie auf. Und beim ansonsten so enzyklopädischen Merian schauen die Kamele doch eher wie Dinosaurier drein – was sie bei Kindern von heute umso beliebter macht.

Wandbild mit historischem Fluss-Szenario und Informationstafeln.
Legende: Kamele mit derart langen Hälsen: So stellte sich Merian die Tiere vor. Knapp daneben! Basil Huwyler

Damals, in der Zeit der Konfessionskriege, war Merian verblüffend «ökumenisch», betont der Pfarrer Christoph Ramstein. Sogar katholische und jüdische Abnehmer fanden die Bibel-Illustrationen des reformierten Merian. Kein Geschäft jedoch machte Merians Werkstatt mit den Kopien und unzähligen Adaptionen seiner Bibel-Sujets.

Merians Engel, Tiere und Propheten landeten sogar auf niederländischen Kachelöfen, auf Tabak- und Keksdosen, Bierhumpen und Tellern. Merians Bibel-Comics wurden massenhaft verbreitet, bis nach Mexiko und Russland. Sie prägten bis ins 19. Jahrhundert das Bild im Kopf, das Menschen von der Bibel hatten.

KI Bilder im Merian-Style

Besuchende dürfen hier mit Original-Kupferplatten einen Merian drucken. Oder am Computer mithilfe KI Bilder im Merian-Style generieren. – Das solle Spass machen, aber auch sensibel für die Copyright-Problematik heute.

Im wahrsten Wortsinn kupferte auch Merian selber ab: bei grossen Meistern wie Bruegel und Rembrandt. Die Ausstellung macht den Werdegang beliebter Motive augenfällig, etwa nur beim Turm zu Basel – ähm, Babel natürlich.

Aufgeschlagenes altes Buch mit einer Illustration des Turms von Babel.
Legende: Ein beliebtes und bekanntes Motiv, das auch Merian aufgriff: der Turmbau zu Babel. Verein «Merian global»/Basil Huwyler

Merian-Sammler Christoph Ramstein übergibt seinen analogen Schatz jetzt der Universität Basel: Im digitalen Zeitalter solle weiter daran geforscht werden können. Auch das hat Basler Noblesse und Stil.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «ICONIC! Eintauchen in Matthäus Merians biblische Bildwelten» ist vom 13. September bis zum 16. November im Basler Münster zu sehen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 12.9.2025,

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