In der 36. Etage des Hochhauses steht ein älterer Herr in der Küche und nimmt einen dampfenden Auflauf aus dem Ofen. Seine kleine Enkelin neben ihm sagt: «Opi, wusstest du, dass alles, was man mit Atomstrom kocht, radioaktiv wird?»
Der Grossvater macht ganz betroffen «schluck». Im Wohnzimmer sitzt sein Sohn auf dem Sofa und sagt zu seiner Frau: «Natürlich ist das nicht fair, aber mir hat er früher aus Erziehungsgründen auch viel Unsinn erzählt!»
Mikrokosmos Mietshaus
Die Cartoon-Autorin Katharina Greve greift gerne politische, zwischenmenschliche und soziale Themen unserer Gesellschaft auf. Donald Trump, Flüchtlinge aber auch Eheprobleme bringt sie leicht und wild durcheinander gewürfelt satirisch auf den Punkt.
Aus diesem Potpourri kommen lustige Dialoge hervor: 102 Mal, pro Etage eine Comic-Pointe, vom Keller bis zum Dachboden.
Politisches trifft Persönliches
Auch die Terroranschläge in Paris hat Katharina Greve mit ihrer Kunst verarbeitet. Gleichzeitig achtete sie streng darauf, in angemessener Form Stellung zu beziehen, ohne Betroffene zu beleidigen oder anzugreifen.
Nun ist im 6. Obergeschoss ein Paar vor dem Fernseher zu sehen. Er fragt: «Warum machen diese Selbstmordattentäter das?» Sie entgegnet: «Vielleicht, damit sie sich diese Frage niemals selbst stellen müssen...».
Nach den Pariser Anschlägen habe sich die Schlussphase für das neue Stockwerk bis um 5 Uhr früh hingezogen, erinnert sich die begnadete Zeichnerin. Wer das neu erschienene Buch «Das Hochhaus» von Katharina Greve in den Händen hält, ist eingeladen, die Autorin selbst in den zahlreichen Figuren zu suchen.
Kunst als Prozess
Für «Das Hochhaus» hat die studierte Architektin drei Publikationswege gewählt: Ihr Werk ist schon während der zweijährigen Bauphase online abrufbar gewesen. Sie publizierte jeden Dienstag spätestens um 8 Uhr früh die nächste Etage des Hochhauses.
Die zweite Publikationsversion ist das fertige Buch von 56 Seiten. Man blättert es im Querformat, also wie einen Wandkalender.
Der dritte Publikationsweg ist besonders in Kunstausstellungen, die das noch unfertige Hochhaus präsentierten, zum Tragen gekommen. Der Foliendruck des Hochhauses wurde quer über den Boden, über Treppen und Wände geklebt, sodass die Interessierten sich beim Lesen bücken oder strecken mussten.
Feine Pointen und präzise Planung
Für «Das Hochhaus» hat Katharina Greve einen verständlichen Stil gewählt, der einem breiten Publikum leicht zugänglich ist. Wer einen bissigen, schwarzen und derben Humor vorzieht, für den ist nicht jedes Panel auf diesen 102 Stockwerken ein treffsicherer Knaller.
Aber mit Sicherheit kann Katharina Greve den einen oder anderen Lacher für sich verbuchen. Und die Künstlerin hat wahrlich Grosses geleistet.
Während zweier Jahre publizierte Katharina Greve Woche für Woche ein neues Comic-Panel. Im Gegensatz zu vielen anderen Grossbaustellen hat ihr Bauvorhaben den geplanten Zeitpunkt der Fertigstellung exakt eingehalten.
Sendung: Kultur aktuell, Radio SRF 2 Kultur, 25.9.2017, 16.50 Uhr