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Miriam Cahn Es darf ruhig weh tun

Gelassenheit sieht anders aus. Die Schweizer Künstlerin Miriam Cahn nutzt ihre Wut seit 40 Jahren für Kunst ohne Kompromisse.

Sie gilt als eine der wichtigsten Schweizer Künstlerinnen, bezeichnet sich selbst aber nie als solche. Miriam Cahn sagt: «Ich bin Künstler» und macht wohl feministische Kunst, aber mit einem eigenen Kopf.

Eine Faust schlägt einen Kopf von der Seite.
Legende: o.t., 14.12.2017, 2017, Aquarell auf Papier, 34 x 44 cm Kunstmuseum Bern / Courtesy the artist and Meyer Riegger, Berlin/Karlsruhe

Seit Ende der 1970er-Jahre sorgt Miriam Cahn für Aufsehen. Ihre Kreidezeichnungen an einer Autobahnbrücke in Basel machten sie bekannt. Sie brachte sie illegal an und wurde von der Polizei geschnappt.

Die Folgen waren ein Gerichtsverfahren und eine geänderte Meinung: Was als Protest gegen die Autobahn begann, endete in Begeisterung über die grossen Betonflächen, die Miriam Cahn für ihre Arbeit vorfand.

Autonome Kunst

Atomkraftwerke, Kriege, der eigene Monatszyklus, die Natur: Was Miriam Cahn betraf, wurde Thema ihrer Kunst. Dabei blieb sie aber immer Künstler und wechselte nie in den Aktivismus. Miriam Cahns Kunst trägt keine Botschaften vor sich her.

Eine Kohlezeichnung der Schweizer Künstlerin Miriam Cahn.
Legende: M.G.A. (bl.arb.) schilthorn-sefinen+thunersee, 29.09.1989, Kreide auf gelbliches Papier / chalk on yellowish paper, 275 x 360 cm Courtesy the artist. Galerie Jocelyn Wolff, Paris and Meyer Riegger, Berlin/Karlsruhe

Nach ihren Erfolgen in den 1980er-Jahren, nach nationalen wie internationalen Ausstellungen, erlahmte das öffentliche Interesse. Aber seit 2013 wird Miriam Cahn, die ihre Arbeit stets weiterverfolgt hatte, wiederentdeckt.

Zweite Karriere

Sie erhielt den Basler Kunstpreis und den Oberrheinischen Kunstpreis. Das «centre culturel suisse» in Paris widmete ihr 2014 eine wichtige Ausstellung, die auch in Aarau zu sehen war. Seither ist Miriam Cahns Bedeutung unübersehbar.

An der Kunstleistungsschau «documenta» zeigte sie 2017 in Kassel und Athen eindrücklich ihr Können und fand international Beachtung.

Drei Figuren von tierischer ANmutung: Gemälde der Schweizer Künstlerin Miriam Cahn.
Legende: liebenmüssen, 30.05.2017, 2017, Pastell auf Papier, 60 x 83 cm Stefan Jeske / Miriam Cahn / Private Collection

Diesen Sommer wird Miriam Cahn 70 Jahre alt und wird mit mehreren Ausstellungen im In- und Ausland gewürdigt.

Ausstellungshinweise

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Kunstmuseum Bern: «Miriam Cahn. Ich als Mensch» (22.2.-16.6.), danach Stationen im Münchner Haus der Kunst (12.7.-27.10) und im Museum für Moderne Kunst, Warschau (29.11.-23.2.2020).

Weitere Ausstellung finden im Kunsthaus Bregenz «Miriam Cahn. Das genau Hinschauen» (13.4.-30.6.) und im Museo Reina Sofia in Madrid «Miriam Cahn. Tode es igual de importante» statt (4.6.-14.10.)

Die Schau im Kunstmuseum Bern ist die erste. «Miriam Cahn. Ich als Mensch» gewährt einen Überblick über 40 Jahre ihrer Kunst und zeigt, dass gewisse Themen sie nicht loslassen: Sex, das Verhältnis der Geschlechter, der Umgang mit Gewalt und mit geflüchteten Menschen sind in ihrem Schaffen zentral.

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Legende: lachen, 27.03.2003+12.11.+03.12.2017, 2017, Öl, Kreide und Pastell auf Holz, 48 x 24 cm Stefan Jeske / Miriam Cahn / Courtesy the artist and Meyer Riegger, Berlin/Karlsruhe

Ein ganzer Raum ist voller expliziter, häufig gewalttätiger Sexszenen. Erigierte Penisse, leuchtende Nippel nehmen das Auge gefangen, neben der Ambivalenz der Bilder.

Denn bei Miriam Cahns Kunst bleibt offen, ob das Angstbilder brutaler Übergriffe sind oder feministische Aneignung von Pornographie.

Andere Räume widmen sich der Flüchtlingsthematik. Miriam Cahn findet Bilder für Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit, die wie Archetypen wirken, und deutlich machen, worüber mit ritualisierter Betroffenheit und realpolitischen Kompromissen hinweggesehen wird.

In den letzten Jahren entstanden viele Bilder von Gestrandeten oder Ertrinkenden. Für die Folgen der europäischen Migrations- bzw. Flüchtlingspolitik und die vielen Toten findet Miriam Cahn Bilder, die haften bleiben.

Porträt einer Frau, die aussieht, als trage sie einen blauen Schleier.
Legende: meredith grey (gestern im TV gesehen), 15.7.15, 2015, Öl auf Holz, 26 x 28 cm Markus Tretter / Miriam Cahn / Courtesy the artist, Meyer Riegger, Berlin/Karlsruhe and Galerie Jocelyn Wolff, Paris

Auch weil die meisten Menschen auf ihren Bildern konsequent die Betrachterinnen und Betrachter fixieren. Wegsehen ist kaum möglich. Distanziert Beobachten auch nicht, denn diese Bilder fordern ihr Publikum heraus, sie verlangen nach einer Haltung, ohne diese vorzugeben.

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