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Das Damaskuszimmer - eine Wiederentdeckung im Bretterhaufen
Aus Kultur-Aktualität vom 04.12.2019.
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Nach 20 Jahren Renovation Dresden präsentiert das Damaskuszimmer

Während im syrischen Bürgerkrieg ganze Kulturlandschaften in Schutt und Asche fallen, wurde in Dresden eines der prächtigsten Damaszener Empfangszimmer restauriert. Jetzt kann es die Öffentlichkeit sehen.

Restauratorin Anke Scharrahs hatte gerade ihre Ausbildung beendet, als sie 1997 den Auftrag erhielt, sich die verstaubten Bretter im Depot der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden anzusehen. «Man sah undeutliche Reliefs. Unter sich ablösenden Farbschichten schimmerten jede Menge orientalische Ornamente», erzählt sie.

Die Unterlagen wiesen den Haufen als «Maurisches Zimmer aus Damaskus» aus. Weitere Informationen gab es zunächst nicht.

Mit der Tochter nach Damaskus

1998 reist Anke Scharrahs auf der Suche nach anderen «maurischen Zimmern» nach Damaskus. Schnell war klar, dass sich solche Zimmer ausschliesslich in Privathäusern ehemals reicher Kaufleute befinden. Doch wie in solche Häuser Einlass finden?

Eine Frau vor einer Wand mit Mustern
Legende: Anke Scharrahs bei der Restaurierung des Damaskuszimmers, Völkerkundemuseum Dresden, Japanisches Palais. © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Jens Tümmler

«Wenn man Privathäuser besuchen will, wurde mir gesagt, kann man nichts Besseres machen, als ein Kind mitzunehmen. Kinder gelten als Friedenszeichen.» In Syriens damals noch friedlicher Hauptstadt halfen ihr Denkmalschützer, einige der ehemaligen Kaufmannspaläste zu finden.

Einblick in eine verborgene Welt

Tatsächlich war es die zweijährige Tochter auf ihren Armen, die ihr die Türen der nach aussen hin so abweisenden Häuser öffnete. Dahinter entdeckte Scharrahs eine verborgene Welt – die Welt der Damaszener Ajami-Zimmer.

Ajami nannte man jene Handwerksmeister, die in den Empfangsräumen reicher Händler eine einzigartige Symbiose aus Holzreliefs und Malereien schufen. Doch schon 1998 beherrschte niemand mehr jene Techniken, mit denen sie den Räumen einst einen Abglanz von 6000 Jahren Geschichte verliehen.

Zwei Jahrzehnte Arbeit

«Damaskus war über Jahrunderte Kreuzungspunkt der Pilgerwege nach Mekka», erklärt Scharrahs. «Der Reichtum, den Pilger und Händler nach Damaskus brachten, spiegelt sich an den Holzpaneelen der Ajami-Meister wieder.»

Ein Raum mit verzierten Holzwänden.
Legende: Das Damaskuszimmer im November 2019, Völkerkundemuseum Dresden, Japanisches Palais. © Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Vera Marusic

Obwohl die prächtigen Paneele in den zum Teil bis zu fünf Meter hohen Räume immer wieder übermalt wurden, bekam Scharrahs bei ihren Besuchen das erste Mal eine Ahnung, was sie da eigentlich restaurieren soll. Zwei Jahrzehnte arbeitet sie an dem Dresdner Fund.

«Keines ist so prächtig»

Zum Vorschein kam ein einzigartiges Zeugnis islamischen Kunsthandwerks vom Beginn des 19. Jahrhunderts – das originale Gastzimmer eines wohlhabenden Damaszener Haushaltes. Es gibt überhaupt nur sehr wenige dieser Zimmer ausserhalb Syriens. Eines etwa im Metropolitan Museum in New York. Anke Scharrahs Urteil? «Keines ist so prächtig wie das Dresdner Damaskuszimmer!»

Bemaltes und geschnitztes Holz
Legende: Das Dresdener Damaskuszimmer, Detail Museum für Völkerkunde, Dresden. Foto: Jens Thümmler

Auf dessen Paneele wurden von den unbekannten Ajami-Meistern Muster kostbarer Seidenstoffe aus Isfahan oder indischer Gewebe kopiert. Kein einziges der Muster gleicht sich. Im Laufe der Jahre analysiert Scharrahs die alten Farben, die Leimverbindungen und lernt sie selbst herzustellen. Heute gilt sie weltweit als einzige Expertin für die längst ausgestorbene Kunst der Ajami-Meister.

Mehr als ein Kunstschatz

«Immer wieder einmal hatte ich hier Flüchtlinge zu Besuch. Die sprachen in ihren Unterkünften kaum miteinander. Hier aber erzählten sie sich plötzlich ihre Geschichten», sagt Scharrahs.

Niemand weiss, wie viele der noch zu Beginn der 1990er-Jahre 1000 existierenden Ajami-Zimmer im Syrienkrieg zerstört wurden. Es könnte sein, dass das Dresdner Zimmer das letzte seiner Art ist.

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