Das Foto an der Wand im Treppenhaus erinnert stark an die Flagge der USA. Es zeigt aber nicht das Star-Spangled Banner, sondern ein Stück Strassenbelag aus Zürich, mit weissen Blindenstreifen und einem Kanalisationsdeckel.
Fotografiert hat das Bild der Zürcher Künstler und Musiker A.C. Kupper. Er ermöglicht Besucherinnen und Besuchern der aktuellen Ausstellung im Helmhaus, in der Phantasie ein wenig auf der US-amerikanische Flagge herumzutrampeln.
Eine freche Geste, die nicht von ungefähr kommt. «Die westliche Welt und die USA haben die Welt in eine ungute Phase gebracht», sagt Simon Maurer. Gemeinsam mit Daniel Morgenthaler hat Maurer eine Ausstellungstrilogie entworfen, die sich dieser unguten Entwicklung und dem unguten Zustand der Welt annimmt.
Es geht um Alles
«Refaire le monde» heisst die Ausstellungsreihe, die die beiden Helmhaus-Leiter konzipiert haben. Der Titel kündigt an: Es geht nicht um zwei, drei aktuelle Probleme. Es geht ums grosse Ganze. Um Migration und Vereinzelung, um Klimakatastrophe und Kommunikationsexzess. Und um die Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten der Kunst, darauf zu reagieren.
Das Foto von A.C. Kupper, das die US-amerikanische Flagge zum Fussabtreter werden lässt, ist in der ersten der drei Ausstellungen zu sehen. Es mag frech sein, wirkt aber formal recht traditionell. Zumal, wenn man sieht, was die Kuratoren sonst noch zeigen.
Der Macht zuschauen
Eingenommen wird man in einem verdunkelten Raum von barocken Violinenklängen – man hört sie hier ohne jede Ablenkung. Ausgeschlossen wird man bei einer Installation des Genfer Künstlers Fabrice Gygi, der einen Konferenztisch in einem Saal zeigt, dessen Türen durch Absperrgitter blockiert sind. «Meeting Room» heisst das Werk, das sein Publikum zum Zaungast einer Raumsituation werden lässt, die an hohe Entscheidungsträger denken lässt. Gleichzeitig erinnert der Konferenztisch mit zwölf Stühlen an das letzte Abendmahl.
Ängste im Asyl-Alltag
In einem anderen Raum läuft der bedrückende und äusserst sehenswerte Dokumentarfilm «Cahier africain» von Heidi Specogna. Die Bieler Filmautorin berichtet darin von Frauen und Mädchen, die im Bürgerkrieg der Zentralafrikanischen Republik vergewaltigt wurden.
Eine Tür weiter findet man sich in einem Projektraum wieder, in dem Asylsuchende aus dem Durchgangslager in Zürich-Oerlikon in Texten und Fotos von ihrem Alltag und ihren Ängsten, ihren Sorgen und Wünschen berichten.
Was kann man tun?
So ein Konzept, das sei natürlich vermessen, sagt Simon Maurer. «Aber es ist immer besser etwas zu tun, als nichts zu tun.» Aus diesem Satz lässt sich eine gewisse Ratlosigkeit heraushören.
Wer heute den Zustand der Welt reflektiert, mag zwar schnell zum Schluss kommen, dass es zahlreiche Probleme gibt, die zu bedenken, zu beheben wären. Aber wo fängt man an? Und wie? Was kann man wirklich tun? Soll man zuerst ans Klima denken, an die Kriegsgebiete weltweit oder soll man beim Individualismus der Wohlstandsgesellschaft und seinen Auswirkungen ansetzen?
Die Ausstellung gibt keine Antworten. Sie gibt auch nicht vor, passende Antworten zu kennen. Sie verwirrt, indem sie Brisantes und Banales, Konzeptuelles und Dokumentarisches vereint. Sie provoziert und verunsichert durch schroffe Gegensätze und Brüche und verweist auf jene Hilflosigkeit im Umgang mit der Weltlage, die weite Teile unserer behüteten Gesellschaft erfasst hat.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 12.3.2018, 17:10 Uhr