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Neues Urheberrecht Wem gehört das Recht am Museumsselfie?

Der Bundesrat plant, künftig alle Arten von Fotografien automatisch zu schützen. Das verärgert die Schweizer Museen.

Man stelle sich vor: In den Ferien gelingt ein toller Schnappschuss. Diesen postet man bei Facebook. Zwei Monate später entdeckt man das eigene Bild in der Werbekampagne einer Versicherung. Was kann man dagegen tun? Im Grunde nichts. Bis jetzt.

Denn bald kommt der Entwurf für ein neues Urheberrechtsgesetz ins Parlament. Dieser sieht vor, dass künftig alle Arten von Fotografien automatisch geschützt sind. Das heisst, keine Abbildung darf mehr ohne Erlaubnis gratis verwendet oder abgeändert werden.

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Widerstand gegen Lichtbildschutz
aus Kultur-Aktualität vom 27.02.2018. Bild: Flickr/( Waiting for ) Godot
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 36 Sekunden.

Vor allem Fotografen freuen sich

Für Christoph Schütz von der Arbeitsgruppe Lichtbildschutz ist das eine Selbstverständlichkeit: «Von den meisten Menschen wird das ja bereits so gehandhabt. Man kopiert Fotografien von anderen nicht einfach ohne Einverständnis der Autorin oder des Autoren.»

Den Lichtbildschutz gibt es in umliegenden Ländern schon lange. Dass er nun auch in der Schweiz eingeführt werden soll, freut vor allem professionelle Fotografen. Heute sitzen sie am kürzeren Hebel. Wird eine Fotografie ungefragt im Internet oder in einer Zeitung publiziert, haben sie rechtlich kaum eine Möglichkeit, dagegen vorzugehen.

Neue Probleme für Museen?

Dieses Problem habe zugenommen, sagt Christoph Schütz: «Als man noch auf Film fotografiert hatte, hatte man als Fotograf eine bessere Kontrolle über die eigenen Bilder. Heute können die digitalen Bilder verlustfrei kopiert werden. Missbräuche nehmen deshalb zu – auch weil es technisch so einfach geworden ist.»

Doch nicht alle haben Freude am neuen Gesetzesentwurf. Zu ihnen gehört der Anwalt und Kunstrechts-Experte Florian Schmidt-Gabain. Die Regelung führe zu Unklarheiten und schaffe neue Probleme – vor allem bei Museen.

Riesiger Verwaltungsaufwand

«Das würde heissen, dass Fotografien von Kunstwerken und Sammlungsgegenständen aus Museen unisono urheberrechtlich geschützt werden», so Florian Schmidt-Gabain.

Damit würde die sogenannte Katalogfreiheit nicht mehr gelten: Sie besagt, dass Museen Kunstwerke in Ausstellungskatalogen frei abdrucken können. Müssten Museen künftig für jeden Katalog die Einwilligung der Fotografen einholen, könnte das mit erheblichen Kosten für die Museen enden.

Noch deutlicher äussert sich die Anwältin und Kunstrechts-Dozentin Sandra Sykora, die den Verband Schweizer Museen berät. Sie spricht von einem riesigen Verwaltungsaufwand, der auf die Museen zukommen könnte. Und das nicht nur, wenn es um Abbildungen für Kataloge geht.

Was ist mit den gemeinfreien Bildern?

«Museen sind heute auch sehr stark partizipatorisch tätig: Sie treten mit den Besuchern in Kontakt, indem sie Hashtags promoten. Die Besucher posten dann Selfies und Bilder aus den Museen», so Sandra Sykora.

Wenn die Museen dann diese Bilder weiterverwenden wollten, müssten alle Rechte an diesen Fotografien an die Museen abgetreten werden. Das ist praktisch nicht möglich.

Sandra Sykora sieht ein weiteres Problem: Wird ein Objekt fotografiert, das nie urheberrechtlich geschützt war, bekommt man durch die Fotografie ein neues Urheberrecht – zum Beispiel auf ein mittelalterliches Gemälde oder Objekt.

«Dadurch kann man die Gemeinfreiheit solcher Objekte komplett aushebeln. Das ist ein Riesenproblem für die kulturelle Teilhabe, nämlich die Bestände der Museen zu veröffentlichen und auch online zu stellen», kritisiert Sandra Sykora.

Im Frühling wird entschieden

Christoph Schütz von der Arbeitsgruppe Lichtbildschutz kann darüber nur den Kopf schütteln: «Das ist schlicht nicht wahr. Gemeinfreie Bilder bleiben gemeinfrei. Da wird nicht über das Fotografieren das Bild selbst wieder geschützt.»

Was stimmt, was nicht? Noch ist man sich also uneins darüber, welche Folgen ein umfassender Lichtbildschutz hätte. Wenn sich im Frühling die zuständige Kommission des Nationalrats mit dem neuen Urheberrecht beschäftigt, steht aber auch die bange Grundsatzfrage im Raum: Lassen sich Werke im Digitalzeitalter überhaupt noch schützen?

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