La Ribot lebt in Genf. Sie ist Performerin und Choreografin und eine der kompromisslosesten Tanzschaffenden in der Schweiz. Soeben hat sie dafür den Schweizer Grand-Prix Theater erhalten. Und: Sie ist der Star im Pariser Kulturherbst.
Das Festival d’Automne, mit dem die Pariser Kulturinstitutionen in die Saison starten, stellt La Ribot in den Mittelpunkt und richtet ihr die zentrale Werkschau aus.
Eine Schweizerin im Mittelpunkt
La Ribot ist nicht die einzige Schweizerin, die gerade in Paris ihren grossen Auftritt hat.
Im Théâtre des Amandiers gastiert Milo Rau, in der Grande Halle de La Villette Christoph Marthaler, im Théâtre des Abesses die 2b company von François Gremaud. Und das Centre Culturel Suisse öffnet all seine Etagen und Räume für die Recherche- und Erinnerungsprojekte von Mats Staub.
Dass das Schweizer Kulturzentrum in Paris Schweizer Künstler präsentiert, gehört natürlich zu seinem Kerngeschäft. Dass aber gleich so viele am Festival d'Automne so prominent präsent sind, ist schon bemerkenswert.
François Gremaud, der schon am Festival von Avignon einen Überraschungscoup landete, ist sogar so etwas wie der Liebling der Saison in Paris.
Und wer Paris sagt, sagt immer auch Frankreich. Der Erfolg in der Hauptstadt öffnet den Künstlerinnen und Künstlern Türen von Brest bis Marseille. Das dokumentarische Theater à la Rimini Protokoll oder eben Mats Staub wird schnell mit einem Schweizer Hintergrund in Verbindung gebracht.
Gibt es so etwas wie eine Schweizer Signatur, die macht, dass Schweizer Künstler in Frankreich so gut ankommen? Jean-Marc Diébold leitet das Centre Culturel Suisse in Paris; er sagt dazu: «Es sind zunächst einmal einfach gute Künstler. Aber sie haben auch Konjunktur, weil sie mehrere Generationen umfassen.»
Es gebe beinahe schon historische Figuren, Diébold nennt Christoph Marthaler, daneben aber auch die vielversprechende junge Generation – etwa François Gremaud.
Die richtigen Fragen
Die Schweizer stellen die Fragen der Zeit, und sie stellen sie einfach, sie sind direkt im Kontakt mit dem Publikum. Das sei ein Schweizer Markenzeichen, findet Jean-Marc Diébold, geradeso wie auch der trockene Schweizer Humor.
Jean-Marc Diébold kennt beide Seiten bestens. Er ist Franzose und in der Schweiz aufgewachsen. Er hat in Lausanne und Genf studiert und hatte in Lyon und Marseille die Geschäftsführung von Theater- und Tanzcompanien. Und er kann auch vergleichen mit Deutschland: In Berlin hat Diébold das Bureau du Théâtre et de la Danse des Institut français geleitet.
«Jöö – die niedlichen Schweizer»
Gerade in Deutschland gelten Schweizer Produktionen manchmal als niedlich, es gibt den «Jöö-Effekt». In Frankreich ist das anders.
Es seien wirklich die neuen Formen, die die Franzosen begeistern, findet Jean-Marc Diébold. Die direkte Ansprache, die Verspiegelung der Erzählebenen, der subkutane Humor.
Was im deutschsprachigen Theater State of the Art ist, findet über den Transit durch die Deutsch- und Westschweiz nach Frankreich – und bringt frische Luft in verstaubte Theatersäle.