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Ukrainischer Künstler Pavlo Makov
Aus Kultur-Aktualität vom 18.02.2022. Bild: Pavlo Makov
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Pavlo Makov will verbinden Mit Kunst gegen die Erschöpfung der Ukraine

Die Ukraine kämpft nicht nur um seine Existenz, sondern auch um seine Identität. Pavlo Makov will mit seiner Kunst Respekt und Liebe für das erschöpfte Land gewinnen – bald auch an der Biennale in Venedig.

In dieser konfliktreichen Zeit erlebt die Kultur einen Aufschwung. Auch in Charkiv, der zweitgrössten Stadt des Landes. In der Metropole im Nordosten der Ukraine leben und arbeiten einige der wichtigsten zeitgenössischen Künstler des Landes. Einer von ihnen ist Pavlo Makov.

Sein Werk umfasst hunderte von Radierungen mit feinsten Linien, Drucke, Zeichnungen, Skizzen und Skulpturen. Pavlo Makov gibt damit Charkiv ein Gesicht. «Ich habe mein ganzes Leben in der Stadt gelebt», meint der Künstler. Das sei seine natürliche Umgebung.

Mit seinem Blick auf die Gebäude erkläre er sich und anderen die Welt um sich herum. Mit der Wechselwirkung von Schwarz und Weiss, seinem Blick auf die Farben und auf den leeren Raum.

Mann schaut nach rechts aus dem Bild. Trägt Brille und blauweissen Schal. Links im Bild ein gerahmtes Bild in Grautönen
Legende: Die Kunst von Makov ist unter anderem auch im Victoria and Albert Museum (London), the Metropolitan Museum (New York), Pavlo Makov

Eine Stadt der revolutionären Kunst

Charkiv – russisch Charkov – war ein wichtiges Zentrum der Sowjetunion, auch kulturell: In den 1920er- und 30er-Jahren war es auch eine Wiege der revolutionären Kunst.

Bauten wie das gigantische konstruktivistische Dersch-Prom zeugen davon – das erste Hochhaus der Sowjetunion. Und Charkiv ist auch heute noch eine pulsierende kosmopolitische Stadt, in der grossartige zeitgenössische Kunstschaffende leben. Neben Pavlo Makov zum Beispiel der Schriftsteller Serhij Zhadan.

Graue Bettongebäude mit bläulichen Fenstern. Davor grüne Bäume und eine Fussgängerstrasse
Legende: Das 1935 gebaute Gebäude ist Kandidat für die Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste. wikimedia commons / Константинъ

Ein Konflikt der Zukunftsvisionen

So sitzt auch der ukrainische Künstler mittendrin im aktuellen Konflikt mit Russland. «Das ist vor allem ein mentaler Konflikt, ein Konflikt zwischen zwei Arten, die Zukunft zu sehen. Es geht nicht um ethnische Zugehörigkeit der Menschen oder um Sprache», so der 63-Jährige. Es gehe um das Gefühl der Zugehörigkeit zum Staat, und um die Vorstellung, wie dieser sich entwickeln soll.

Doch welche Rolle spielt die Kultur bei der Zugehörigkeit zum Staat? Die Kultur sei enorm wichtig für die Identität eines Landes, sagt Makov. «Kultur verbindet die verschiedensten Menschen miteinander, ermöglicht ihr Zusammenleben. Und: Sie weckt Gefühle und Respekt.»

Wenn Kunst Respekt hervorrufe vor dem Land, springe dieses Gefühl auf andere Bereiche über: Wenn jemand die Kultur eines Landes liebe, beeinflusse das auch Entscheidungen in Politik und Wirtschaft.

Das sei gerade für die Ukraine wichtig, ein Land, das viele nur als Zwischenraum betrachten. Ein Gebiet, das in den Köpfen vieler weit weg von Westeuropa sei.

Die Ukraine ist erschöpft

Dabei liege es nah und sei fest mit der europäischen Kultur verzahnt. «Doch leider ist die Ukraine für viele immer noch unbekannt: Und genau darum muss sich die Kulturpolitik kümmern.» Die ukrainischen Politiker würden das nicht verstehen – sie förderten die Kultur viel zu wenig.

Frau steht in einem Raum, schaut auf gegenüberliegende Wand. Dort eine Betonwand mit als Pyramide aufgetürmten Gläsern
Legende: Der «Brunnen der Erschöpfung» steht für die ausgelaugte Ukraine – und wird an der Biennale in Venedig zu sehen sein. Visualisierung zvg/Pavlo Makov

Ein gutes Beispiel dafür zeigt sich ab Ende April an der Biennale in Venedig: Die Ukraine wird hier erst zum zweiten Mal in der Geschichte einen eigenen Pavillon stellen. Pavlo Makov gestaltet diesen mit einer Skulptur namens «Der Brunnen der Erschöpfung».

Eine Metapher für den Zustand der Ukraine, wie er sagt, und für den Zustand der Welt – erschöpft von Social Media, Fake News und der Pandemie. Kunst, sagt Makov, «ist keine Medizin gegen die Krankheiten der Gesellschaft. Aber eine Diagnose und ein Gegengift. Und das ist immerhin ein Anfang.»

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 18.02.2022, 17:20 Uhr;

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