Man kennt Piet Mondrian vor allem für seine streng geometrischen Bilder, die er ab den 1920er-Jahren malte: Schwarze Raster auf weissem Hintergrund, wobei einige der Felder blau, rot und gelb gefüllt sind. Mit diesen Bildern hat Mondrian die abstrakte Malerei mitbegründet und wurde zum Erfinder des Neo-Plastizismus.
Fokus auf dem Frühwerk
In der Ausstellung «Mondrian Evolution» zeichnet die Fondation Beyeler nun den künstlerischen Schaffensweg des niederländischen Malers nach und legt dabei den Fokus auf dessen Frühwerk.
Das älteste Bild in der Ausstellung heisst «Frau mit Spindel» und entstand in den 1890er-Jahren, damals war Mondrian Mitte 20. Darauf abgebildet ist eine ältere Frau in dunkelgrauen Kleidern mit weisser Haube. Sie sitzt an einem Tisch und ist über eine Arbeit gebeugt. Was genau sie tut, ist nicht zu erkennen.
Auf den ersten Blick wirkt das Bild wie ein typisches Beispiel realistischer Malerei aus dem 19. Jahrhundert. Was aber auffällt ist das Raster, das Mondrian über den Hintergrund gezeichnet hat.
Dieses Raster lasse erkennen, dass sich Mondrian schon früh für die Struktur eines Bildes interessiert habe, sagt Kurator Ulf Küster. «Diese Rasterstruktur, die auf einem rechten Winkel beruht, findet man bei ihm später immer wieder.»
Das Skandalbild
Mondrians Bilder sind in der Ausstellung nicht chronologisch, sondern nach Themen gruppiert. So lässt sich seine künstlerische Entwicklung manchmal sehr konkret an einem Motiv mitverfolgen. Etwa an den beiden Gemälden von 1908, auf denen eine Mühle abgebildet ist.
Beim ersten dieser Bilder ist die Mühle mit lilafarbenen Farbtupfern gemalt worden, was den Einfluss von Symbolismus und Impressionismus verrät. Das zweite Bild mit demselben Motiv ist in grellen Rot- und Gelbtönen gehalten und die Pinselstriche sind breiter.
«Mondrian hat hier die Ideen von Vincent van Gogh weitergedacht», sagt Ulf Küster. Als «Mühle bei Sonnenschein» 1909 zum ersten Mal ausgestellt wurde, verursachte es einen Skandal. Aufgrund der grellen Farben dachten die Leute, Mondrian sei verrückt geworden.
Einfluss der Kubisten
1911 kommt Mondrian im Rahmen einer Ausstellung mit dem Werk von Pablo Picasso und Georges Braques und somit auch mit dem Kubismus in Berührung. Er bricht seine Zelte in den Niederlanden ab und zieht nach Paris.
In dieser Schaffensphase werden die Farben in seinen Bildern blasser, es dominieren Ockertöne und geometrische Strukturenrücken in den Vordergrund. «Diese Strukturen beruhen auf Naturvorbildern», sagt Küster. So basiert etwa eines der Bild auf einem realen Haus in Paris. Mondrian hat hier seine Sicht stark abstrahiert.
Tanzende Bilder
Je älter Mondrian wird, umso abstrakter werden seine Bilder. Durch die Abstrahierung will er zur Essenz seiner Motive vordringen. Beim Entstehungsprozess habe immer auch Musik eine wichtige Rolle gespielt, sagt Ulf Küster.
«In seinem Atelier hörte Mondrian immer die neusten Jazzplatten auf seinem Grammophon, und zwar laut». Und das sehe man auch seinen neoplastizistischen Bildern an. Mondrian, der selber ein passionierter Tänzer war, wollte in ihnen den Rhythmus von Tanz aufnehmen. Wenn man sich lange genug vor die Farbfelder stelle, dann begännen sich diese zu bewegen, war Mondrian überzeugt.
Die Ausstellung «Mondrian Evolution» macht deutlich, wie planvoll und zielstrebig Piet Mondrian seine Kunst entwickelt hat und lässt einen teilhaben an der schrittweisen Entwicklung. Das ist faszinierend anzuschauen. Und nimmt man sich etwas Zeit, dann wird die Abstraktion tatsächlich lebendig und beginnt zu tanzen.