Der Bahnhof Lausanne ist eine einzige Baustelle. Noch bis 2030 werden die Métro erweitert, die Perrons für die heute 400 Meter langen IC-Züge angepasst. Es wird gehämmert, betoniert, Stromkabel sind in Bögen über den Strassen verlegt.
Auch neben dem Bahnhof, auf dem Gelände der füheren SBB-Werkhallen, ist in den vergangenen Jahren viel gebaut worden: Die «Plateforme 10», ein Museumsquartier als zehntes Perron des Bahnhofs.
Die Schuhschachtel und der Kristall
Die beiden Häuser sind architektonisch völlig unterschiedlich. Das erste wird wegen seines langgezogenen und schmalen Entwurfs in Lausanne «Schuhschachtel» genannt. Es beherbergt das Musée Cantonal de Beaux-Arts (MCBA), das Waadtländer Kunstmuseum. Seit zweieinhalb Jahren ist es geöffnet, so gut es die Pandemie zuliess.
Das zweite nun fertiggestellte Haus ist viereckig und weiss, es wird einzig von einer eckigen Linie von Fenstern durchzogen. Sie gleicht der Kante eines Kristalls. In diesem zweiten Haus ist oben das Design-Museum Mudac zu Hause, unten das Fotomuseum Elysée.
So sieht das neue Museumsviertel aus
Zwischen den Museen gibt es Restaurants, erste Bäume sind gepflanzt. Das Quartier ist so gross wie fünf Fussballfelder. Ein solches Museumsquartier kennt man etwa aus Wien, für die Schweiz ist es aber einzigartig.
Und es markiert die hohen Ambitionen der Waadt, sich einen prominenteren Platz in der Kulturlandschaft zu verschaffen. Die «Plateforme 10» soll Besucherinnen und Besucher aus der Deutschschweiz, aber vor allem auch aus dem Ausland anziehen.
Drei Museen, ein Thema
Künstlerisch legt die Plateforme mit dem Thema «Train Zug Treno Tren» los, in Anlehnung an die Vergangenheit des Areals. Die drei Museen spielen dabei ihren Trumpf – die einzigartige Nähe – voll aus.
Ein Bild von Picasso hängt im Fotomuseum anstatt im Kunstmuseum. Skulpturen des gleichen Künstlers sind im Mudac und im MCBA zu sehen.
Blick ins Kunstmuseum MCBA
Besonders originell ging das Designmuseum Mudac die Eröffnungsausstellung an. Kurator Marco Costantini liess zuerst einen «Roman de gare» – auf Französisch der Ausdruck für einen Groschenroman – schreiben. Das 138-seitige Büchlein liest sich in einer Fahrt von Zürich nach Lausanne und beschreibt die imaginäre Stadt «Terre-des-Fins», die nur per Zug erreichbar ist.
Die Ausstellung ist wie eine Art Filmkulisse dieses Buches aufgebaut: Zugsignale sind zu sehen, eine Skulptur eines Zusammenstosses zweier Dampflokomotiven, Plakate, sogar ein Fahrplan ist aufgehängt worden.
Ausstellung im Design-Museum Mudac
Ob das ambitionierte Museumsviertel die hohen Erwartungen langfristig erfüllen kann, wird aber zur Bewährungsprobe. Denn die Museen an sich gab es schon vor dem neuen Quartier, einfach auf andere Orte in der Stadt verteilt.
Jetzt müssen sie sich neu erfinden: «Inhaltlich könnte es interessanter werden, wenn die Museen diese Neueröffnung und Neuplatzierung auch inhaltlich neu positionieren und sich weiterentwickeln», sagt Pius Knüsel, ehemaliger Direktor der Kulturstiftung Pro Helvetia.
Die Eröffnung ist in dieser Hinsicht vielversprechend. In Zukunft werden die drei Museen aber ihren Weg zwischen Eigenständigkeit und Austausch über die Kunst-Sparten hinweg finden müssen.
Das ist im Fotomuseum Elysée zu sehen
Ganz an der Endstation ist das Museumsquartier auch mit der Eröffnung noch nicht angelangt. Im Gebäude des ehemaligen Stellwerks wird noch eine Art Kunsthalle mit Ateliers für Künstlerinnen und Künstler gebaut.
Und im Sommer gibt's ein Gastspiel aus dem Süden: Das Filmfestival von Locarno wird zu Besuch ins Museumsquartier kommen. Dann werden Filme auf die Museumswand projiziert. Das zeigt: In der Lausanner Kunst herrscht Aufbruchstimmung.