Im Tiefgeschoss des Design Museum an der noblen Kensington High Street erklingen Sprechchöre, lautstark und vielsprachig; in einem Meer von Bannern, Postern und Spruchbändern ragen Barrikaden und Plakatwände auf; und auf Monitoren flimmern Bilder von Demonstrationen in aller Welt.
Im Arrangement der Requisiten folgt die Schau «Hope to Nope: Graphics and Politics 2008-2018» der Choreografie eines multimedialen Bühnenspektakels mit Publikumsbeteiligung. Besucher sollen sich fühlen wie auf einer Demo: engagiert und mitten im Getümmel.
Grafikdesign hat Konjunktur
«Wir leben in turbulenten Zeiten» sagt Lucienne Roberts, Grafikdesignerin und Ko-Kuratorin der Ausstellung: «Einen Hauch von dieser Atmosphäre wollen wir hier vermitteln. Angesichts der gegenwärtigen Weltunordnung herrscht heute überall fast permanent Alarmstimmung. In solchen Phasen haben Protest und politische Grafik Hochkonjunktur.»
Zehn Jahre Grafikdesign in politischer Mission – von 2008, dem Jahr der internationalen Finanzkrise, bis heute: da sammelt sich viel an.
Internationale Protestkultur
Rund 200 Exponate hat das Kuratorenteam ausgewählt: Insignien des Widerstands in Wort und Bild. In der Gesamtschau fügen sich die Belege zu einem schillernden Kaleidoskop der internationalen Protestkultur.
«Hope to Nope» lässt kaum ein Thema aus. Hier der «Arabische Frühling», daneben die Proteste gegen die Terroranschläge auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo»; Gewalt gegen Frauen und – vor dem Hintergrund des Schulmassakers in Florida – der Protest gegen die US-Waffenlobby, der «Marsch für unsere Leben».
Von HOFFNUNG bis NEIN
Der Ausstellungstitel «Hope to Nope» ist die Kurzformel für die Fallhöhe zwischen Anfang und Ende der Ausstellung.
Die Schau beginnt mit dem bekannten Obama-Poster im Pop Art-Stil des US-Grafikers Shephard Fairey aus dem Jahr 2008. Über dem Wort HOPE in Grossbuchstaben am unteren Bildrand blickt der frisch gewählte Präsident hier optimistisch und erwartungsvoll in die Zukunft.
Im Kontrast hierzu steht die Arbeit des Grafikers Mike Mitchell. Er attackiert Obamas Nachfolger Trump, US-Präsident Nr. 45.
In einer Tablet-Animation lässt Mitchell die Ziffern 4 und 5 zu einem Hakenkreuz verschmelzen. Das Video-Piktogramm verbreitete der Künstler per Twitter – entsprechend gross war das Echo in den sozialen Netzwerken auf diese Magie der schwarzen Zahlen. Kunstvoller, kreativer und cleverer lässt sich schwer «Nein» sagen – oder eben «Nope».
Schlüsselwerkzeug Technologie
Plakate und Coverillustrationen, Masken und Symbolpuppen: sie gehören zum Standardinventar der Revolte, als solche haben sie auch noch längst nicht ausgedient.
Doch die Schau zeigt: die Grenzen zwischen politischem Protest, Propaganda und Kunst sind so fliessend wie die ihrer Produktion und medialen Vermittlung. Als Schlüsselwerkzeuge für den Designprozess eröffnen die modernen Technologien der Kreativität neue Entfaltungsmöglichkeiten und neue Plattformen für die Verbreitung von Inhalten und Botschaften.
Gutes Design ist gute Kommunikation
Ob gutes oder schlechtes Design: das sei nicht das Wesentliche, meint Kuratorin Lucienne Roberts: «Entscheidend ist wie intelligent und effektiv grafisches Design seine Adressaten anspricht, ob per Poster oder Smartphone.»
Menschen motivieren, überzeugen und einander näherbringen – darum gehe es, sagt Roberts: «Im Studio, auf der Strasse, in der Kunst und in der Politik. Nicht flotte Sprüche zählen, sondern offene, gute Kommunikation.»