Eine elegant gekleidete Frau steht vor einem Polizisten. Sie schreit ihn an, hält ihm Fotos von einer verletzten Frau entgegen. Der Polizist steht stumm da, seine Augen sind geschlossen. Als Betrachter scheint es, als stünde man direkt daneben – hineingezogen in die Protestbewegung in Belarus.
Die Besuchenden sind aber nicht in Belarus, sondern im appenzellischen Heiden. Dort zeigt das Henry-Dunant-Museum eine Auswahl von Werken belarussischer Fotografinnen, die an den Protesten teilnehmen und diese dokumentieren. «Es ist ein Blick, der aus dem Protest herausformuliert wird und das macht diese Bilder viel näher, viel intimer», erklärt Nadine Schneider, Co-Leiterin des Museums.
Fotografinnen zeigen den Protest in Belarus
Intimer Einblick in den Protest
Die Bilder werden auf drei grosse Leinwände projiziert, die frei von der Decke herabhängen. Es fühlt sich an wie eine Diashow. «Dank der Form der Installation und dadurch, dass die Bilder nicht hinter Glas gestellt wurden, fühlen sich die Besucher und Besucherinnen direkt involviert in die Protestbewegung», so Schneider.
Es sind nicht nur Bilder von Gewalt. Man sieht beispielsweise ein lesbisches Liebespaar, das sich vor Soldaten in dunkelgrüner Uniform küsst. Ein Moment der Zärtlichkeit vor dem Hintergrund autokratischer Gewalt. «Das ist ein doppelter Protest, einerseits für die Demokratie und andererseits für die Rechte aller Menschen», findet Schneider.
Auf den Bildern sieht man auch Frauen mit ihren Kindern, Pensionierte, Studierende, Menschen unterschiedlichster Couleur.
Frauen führen Proteste an
Das Henry Dunant Museum hat für diese Ausstellung eng mit belarussischen Kunstschaffenden zusammengearbeitet. Der Kurator Andrei Liankevich und sein Team haben Werke von Fotografinnen ausgewählt. Die Idee hinter dieser Auswahl: Frauen führen in Belarus die Proteste an, darum sollen auch Künstlerinnen die Proteste darstellen.
«Frauen spielen eine wichtige Rolle in der friedlichen belarussischen Revolution. Es gibt nicht viele weibliche Fotografinnen, deshalb war die Auswahl einfacher», sagt Liankevich. Er ist selbst Fotograf, Initiator des Festivals «Month of Photography in Minsk» und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Die ausgewählten Fotografinnen arbeiten entweder freischaffend als Künstlerinnen oder als Fotojournalistinnen für Agenturen und Medienhäuser. Für ihre Motive riskieren einige ihr Leben. «Obwohl noch keine Fotografinnen getötet wurden, sind viele zusammengeschlagen worden», so Liankevich. «20 Fotojournalisten sind momentan im Gefängnis».
Das ist der Preis, den Fotografinnen zahlen, wenn sie in Belarus mit der Kamera auf die Strasse gehen. Diese Erfahrungen haben Werke entstehen lassen, die eindringlich sind und eine neue Perspektive auf die Proteste in Belarus ermöglichen.